Die Mitternachtsprinzessin
nicht sogar getötet zu werden. Als sie sich Gabriel zuwandte, betrachtete er sie mit einem seltsamen Ausdruck.
„Was ist?“, fragte sie.
Er zuckte die Achseln und wandte den Blick ab. „Es hörte sich an, als meinten Sie das wirklich ernst. “
„Das tue ich.“
Einen Moment lang gingen sie schweigend weiter. „Mir scheint, Sie waren in Ihrem kurzen Leben schon ein paar Mal in Gefahr.“
„Das stimmt“, erwiderte sie.
Er nickte kurz und vermied es immer noch, sie anzublicken. „Genau wie ich.“
„Nun“, begann sie und versuchte ein Lächeln, um die Schwermut zu vertreiben, die ihn auf einmal wie ein Umhang zu umgeben schien. Es erinnerte sie daran, wie gedankenverloren er letzte Nacht in der Kirche gewirkt hatte. „Es ist ein schöner Tag“, meinte sie und deutete mit einer Kopfbewegung auf die Baumreihe und den azurblauen Himmel.
Es schien zu funktionieren. Ein kleines Lächeln vertrieb die Spannung aus seinen Augen, als er beobachtete, wie sein Pferd sich wieder auf alle viere stellte. Das Tier schüttelte sich, und Blüten fielen aus seiner cremeweißen Mähne.
„Jeder Tag ist ein schöner Tag“, sagte Gabriel leise. „Man muss nur die Augen öffnen und hinschauen.“
Endlich sah er sie an, und Sophia lachte. „Sind Sie am Ende so eine Art Bauernpoet?“
„Nein, ich kann nicht gut mit Worten umgehen.“ Er grinste. „Und was sind Sie?“, fragte er endlich und gab ihre eigene Frage an sie zurück.
Sie schüttelte den Kopf. „Das versuche ich noch herauszufinden.“
„Sie sind jung“, sagte er. „Es kann eine Weile dauern.“ Als sie das Bauernhaus erreichten, hielt er ihr die Tür auf, und Sophia zog eine Braue hoch.
Dieser Mann war ein ungewöhnlicher Kavalier, wenn er so mit einer Hausmagd umging.
Sie nickte dankend und ging voran, aber bei so viel Galanterie wunderte sie sich, warum er ihre Dienste als Dirne ablehnte.
Wirklich, warum wollte er sie nicht? Er war ein so interessanter Mann - und schien doch immun zu sein gegen ihre Reize. Sie hatte das Gefühl, ein wenig in ihrem weiblichen Stolz gekränkt zu sein.
Und doch war es irgendwie erfrischend, dass er ihrem Charme nicht verfiel. Sie hatte schon vor langer Zeit gelernt, Schmeicheleien gegenüber misstrauisch zu sein. Die Leute würden alles sagen, um Gefallen bei königlichen Personen zu finden, selbst wenn sie sich nur im Exil befanden. Und während Höflinge und andere Schranzen ihre hinreißende Schönheit priesen, so war ihr doch nur allzu bewusst, dass ihre griechische Nase zu groß war und ihr Haar sich in eine wirre Krause verwandelte, sobald es regnete - in England also an jedem zweiten Tag. Nein, Lady Alexa mit ihrem zarten Gesicht und dem glatten Blondhaar war die Schönheit, doch nichts davon war jetzt wichtig.
Wichtig war, dass Gabriel Knight nicht wusste, dass sie von königlichem Geblüt war, und daher keinen Grund hatte, sich bei ihr anzubiedern. Er war nur ehrlich, und in dieser Ehrlichkeit war sie für ihn eine Frau, der er durchaus widerstehen konnte.
Du bist dumm, sagte sie zu sich selbst. Wäre es dir lieber, er versuchte dich anzufassen?
Sophia hatte in all den Jahren noch jeden Diener hinausgeworfen, wenn er versucht hatte, eines ihrer Dienstmädchen zu berühren. Ihr gesamter Haushalt wusste, dass sie so etwas nicht durchgehen ließ.
Dennoch verwirrte Gabriels ambivalentes Verhalten ihr gegenüber sie ein wenig. Sie war nicht daran gewöhnt, so einfach abgewiesen zu werden.
In der Küche stellte er sie Mrs. Moss vor, die sie sofort feindselig ansah.
Sie war froh, dass Gabriel sie vorher vor der schlechten Laune der Frau gewarnt hatte. Daher beeindruckten die ersten Versuche der Haushälterin, sie einzuschüchtern, sie nicht sehr.
Gabriel lehnte in der Tür zur Küche und beobachtete, wie Mrs. Moss ihr unfreundlich einige Fragen stellte, als er plötzlich vortrat und zu der Wiese blickte, auf der sein Pferd graste.
Sophia bemerkte seine rasche Bewegung und drehte sich um. „Ist alles in Ordnung?“
Er starrte noch immer zur Tür hinaus. „Ich glaube, wir haben einen Besucher.“
„Was?“ Im ersten Moment dachte sie, die Verfolger hätten sie aufgespürt, und das Herz drohte ihr stillzustehen.
„Sehen Sie.“ Er deutete hinaus.
Als sie seinem Blick folgte, durchströmte sie Erleichterung.
Der Besucher war die braune Stute, die sie in der vergangenen Nacht geritten hatte.
Oje, dachte sie, wobei sie nicht zu erkennen gab, dass ihr das Tier nicht fremd war. Das Pferd musste
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