Die Mitternachtsprinzessin
eingraviert: „Keine Gnade.“
Mit Entsetzen schob Sophia die Klinge zurück und stellte die Waffe wieder dahin, wo sie sie gefunden hatte. Ihr Herz klopfte bis zum Hals.
Stirnrunzelnd drehte sie sich um, und als sie den Blick suchend durch den Raum schweifen ließ, bemerkte sie etwas, das ihr vorher entgangen war. Auf dem Schrank aus Walnussholz lag ein mit Federn verzierter Helm. Wie das Schwert war er aus herrlich schimmerndem Stahl, und die Helmzier aus gefärbtem Rosshaar verlieh ihm beinahe königliche Würde.
Im selben Moment hörte sie ein Plätschern ganz in der Nähe, es klang, als käme es aus demselben Zimmer. Verwirrt trat sie näher. Als sie um das Bett herumgehen wollte, bemerkte sie, wie der große Spiegel Licht reflektierte.
Sie drehte sich um, und um ein Haar wäre ihr der Mund offen stehen geblieben. Der große Kleiderschrank hatte den Blick in das Ankleidezimmer versperrt, dessen Tür weit offen stand.
Das Kerzenlicht kam aus diesem Raum, und dort konnte sie, im Spiegel, Gabriel in der Wanne sitzen sehen.
Seine muskulösen Arme ruhten auf dem Rand des dampfenden Zubers. Sein rabenschwarzes Haar war nass, sein scharf geschnittenes Gesicht schimmerte von Feuchtigkeit. Er hielt die Augen geschlossen, und sie sah seine nassen Wimpern.
Sie stand wie angewurzelt in der Dunkelheit, wagte kaum zu atmen, starrte ihn nur an. Sein Gesicht war entspannt, fast wirkte er schläfrig, wie er so da in der Holzwanne saß, während ihm das Wasser über die Kehle und die muskulöse Brust rann.
Sie betrachtete ihn, voller Staunen und Verlangen, unfähig, die Augen abzuwenden.
Dieser Mann war das Verführerischste, was sie je gesehen hatte. Ihre eigene Reaktion erschreckte sie, und ein Zittern durchlief ihren Körper. Sie stellte sich vor, ihn zu berühren, ja, sogar zu waschen. Diese Art von Dienst konnte sie sich als sehr genussvoll vorstellen.
Ihr Herz schlug schnell, und sie wusste, wie sündhaft das war, doch ein kühner Teil von ihr spielte tatsächlich einen Moment lang mit dem Gedanken, die Gelegenheit zu nutzen.
Schließlich hatte sie am Vortag Geburtstag gehabt, und sie hatte kein einziges Geschenk bekommen. Jetzt gerade hatte sie eine Vorstellung davon, was sie gern als Geschenk gehabt hätte - nämlich ihn.
Sie fragte sich, wie er wohl reagieren würde, wenn sie dort hineinging, ihn anlächeln und dann den Schwamm und die Seife nehmen würde. Wäre er entsetzt? Würde er protestieren?
Oder wäre er erfreut über ihr Eindringen? Würde er sie einladen, seinen unglaublichen Körper zu erforschen, würde er sie seine sonnengebräunte Haut fühlen lassen? Sie wollte mit den Händen über diese breiten Schultern streichen. Diese Lippen kosten ...
Du bist eine Närrin, sagte sie sich und setzte ihren gewagten Fantasien damit ein Ende. Sie hatte den hungrigen Ausdruck seiner Augen gesehen, als er im Stall auf ihr gelegen und sie unter sich festgehalten hatte. Dort hineinzugehen wäre so, als würde sie einem Wolf ein rohes Steak hinhalten. Andererseits konnte sie sich Schlimmeres vorstellen, als von Gabriel Knight verführt zu werden.
Himmel, vermutlich hatte sie die typischen Eigenheiten einer Prinzessin. Es war nicht einfach, die eigenen Wünsche zu unterdrücken, wenn man daran gewöhnt war, dass sie einem sofort erfüllt wurden.
Mit wild klopfendem Herzen zwang sie sich dazu, sich abzuwenden. Schließlich gehörte mehr dazu, eine Prinzessin zu sein, als nur ans Vergnügen zu denken. An erster Stelle kam für sie die Pflicht. Und sie zahlte einen hohen Preis dafür, die Erbin des Thrones von Kavros zu sein.
Sie wusste sehr genau, dass ihre weiblichen Bedürfnisse zum Wohle ihres Volkes unterdrückt werden mussten. Im Vergleich dazu war selbst die einfachste Magd reich.
Wenn sie älter war, könnte sie sich vielleicht eine Affäre mit einem gut aussehenden Kavallerieoffizier erlauben. Aber bis sie den Thron innehatte, musste sie im Umgang mit Männern sehr vorsichtig sein. So viele ihrer möglichen Verehrer wollten nur haben, was ihr gehörte, und ihr die Macht rauben.
Irgendwann würde sie vermutlich eine Ehe eingehen müssen, die zum Vorteil ihres Landes war. Aber bis dahin wollte sie ihrem Idol nacheifern, Englands größter Königin, Elizabeth I., aus der Zeit William Shakespeares. Die sogenannte jungfräuliche Königin.
Die kluge Queen Bess war mit den männlichen Herrschern der Nachbarländer so umgegangen, wie es eine umschwärmte Schöne mit ihren verliebten Verehrern tat - sie hatte
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