Die Mitternachtsprinzessin
aufgefallen, wie oft sie ihn angesehen hatte, bis er sie darauf hinwies.
„Sophia“, meinte er beiläufig. „Sie starren mich schon wieder an.“ Er griff nach der Butter und zwinkerte ihr mit einem spöttischen Lächeln zu.
Sie errötete. „Entschuldigung.“
„Denken Sie an etwas Bestimmtes?“
„Eigentlich nicht.“
„Dann essen Sie, Mädchen. Hat Ihnen schon mal jemand gesagt, dass Sie zu dünn sind?“
„Das bin ich nicht! “
Er warf ihr ein Brötchen zu, und sie fing es lachend auf. „Na schön.“ Sie strich etwas Butter darauf. „Also, was haben Sie heute gemacht, Major? Ich habe Sie im Haus gar nicht gesehen.“
„Ich bin unterwegs gewesen und habe versucht, den Eigentümer der Stute zu finden.“
Sie machte große Augen, dann beeilte sie sich, alle verdächtigen Anzeichen aus ihrem Gesicht verschwinden zu lassen - was ihr hoffentlich gelang. „Und - Glück gehabt?“ „Nein“, erwiderte er. „Keiner der Bauern aus der Umgebung hat das Tier jemals zuvor gesehen. Es ist ein schönes Pferd, in hervorragendem Zustand. Es ist uns allen ein Rätsel, wie es hierhergekommen ist.“
„Vielleicht ist es weggelaufen“, schlug sie vor.
„Ja, vermutlich. Obwohl der Eigentümer dann sehr nachlässig gewesen sein muss. Jedenfalls habe ich bei den umliegenden Höfen eine Nachricht hinterlassen, für den Fall, dass der rechtmäßige Besitzer nach ihm sucht. Man soll mir nicht vorwerfen, das Tier gestohlen zu haben. Schließlich kann Pferdediebstahl mit dem Tod bestraft werden. Das wissen Sie doch, Sophia, oder?“, fügte er leise hinzu. „Sie glauben, ich habe etwas damit zu tun?“, rief sie auf seinen fragenden Blick hin aus. „Wenn Sie mir schon wieder vorwerfen wollen ... “
„Ich werfe Ihnen gar nichts vor. Aber Sie müssen zugeben, dass es ein wenig - sehr zufällig wirkt, dass Sie beide gleichzeitig hier aufgetaucht sind.“
„Ich dachte, das hätten wir hinter uns. Ich habe noch nie in meinem Leben etwas gestohlen“, erklärte sie und legte den Löffel hin.
„Ich habe mich nur gefragt, ob Ihnen vielleicht Ihr Beau oder Ihr Bruder gefolgt sein könnten. Oder ein anderer, der letztlich verantwortlich dafür ist, dass das Tier - sagen wir - befreit wurde.“
Sie schüttelte den Kopf, ihre Sympathie für ihn kühlte merklich ab. „Ich habe hier in der Gegend keinen Beau und auch keinen Bruder oder sonst jemanden. Nicht im Umkreis von vielen Meilen.“
Einen Moment lang sah er ihr in die Augen.
Er war ein so aufrechter Mann, sodass Sophia sich plötzlich elend fühlte, weil sie ihn so anlog.
„Nun gut. Ich werde nicht mehr davon sprechen“, meinte er. Dann lächelte er zögernd. „Aber es fällt mir schwer, zu glauben, dass Sie keinen Beau haben.“
„Nun, mein lieber Major“, meinte sie seufzend und nahm den Löffel wieder auf. „Manche Frauen sind einfach nicht dazu bestimmt, gezähmt zu werden.“
Er beugte sich vor und flüsterte: „Solche Frauen gefallen mir.“
Obwohl er ihr nicht vollkommen traute und nicht die Hälfte von dem glaubte, was sie sagte, hatte sie etwas an sich, das ihn bezauberte. Sie war selbstsicherer als andere Frauen, die er kannte. Diese Eigenschaft gefiel ihm.
Ihre Leidenschaft und ihre Lebenslust gefielen ihm, brachten ihn zurück ins Leben. Der Gegensatz zwischen dieser Nacht, in der er Sophias Lachen gehört und ihre stürmischen Ausbrüche erfahren hatte, die sich auf ihrem ausdrucksvollen Gesicht spiegelten, und den kalten, dunklen Nächten davor, die er allein in der Kirchenruine verbrachte, um seine Dämonen zu bekämpfen, hätte kaum größer sein können.
Die einfache Tatsache, hier mit ihr zu essen, so bescheiden die Mahlzeit auch sein mochte, erschien ihm wie pure ! Dekadenz. Der Luxus ihrer Gesellschaft gab ihm das Gefühl, ein König zu sein.
Während sie ihr Gespräch mit überraschender Mühelosigkeit fortsetzen konnten, spürte er, wie sie ihn aus seiner Einsamkeit zog. Und doch war er in mehr als nur einer Weise hungrig.
Er zwang sich, nicht daran zu denken, wie er die Teller beiseite schob und sie gleich hier auf dem Küchentisch liebte. Alles in ihm sehnte sich nach ihr, aber er würde diesem Gefühl nicht nachgeben.
Sie hatte ihm verziehen, und sie vertraute ihm. Er würde sich nicht noch einen Ausrutscher erlauben, schon gar nicht, weil er ihr sein Wort gegeben hatte, sie nicht anzurühren. Dennoch dachte er daran, wie bemerkenswert unschuldig sie wirkte in Anbetracht ihrer Profession.
Unschuldig, aber stark.
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