Die Mitternachtsprinzessin
nicht beschäftigen. Die Locken fielen ihr über die Schultern, wild und offen, genau wie sie selbst es in der vergangenen Nacht bei ihren sinnlichen Abenteuern mit dem Major gewesen war.
Sie hoffte, er würde nicht aufwachen. Sie wollte nicht, dass er mit in ihre Schwierigkeiten hineingezogen wurde. Und sie glaubte auch nicht, dass sie es aushalten würde, ihm ihre Lügen zu gestehen. Als sie die Lederschlaufe wieder an ihrem Schenkel befestigte und danach das Messer in diese hineinsteckte, war ihr klar, dass ein Kampf zwischen ihrem Liebhaber - ihrem Liebhaber! - und ihren Leibwachen das Letzte war, was sie wollte.
Leon würde vermutlich spüren, dass sie etwas angestellt hatte, wenn er ihr zerzaustes Haar und ihre geröteten Wangen sah. Aber Sophia beschloss, sich damit auseinanderzusetzen, wenn es so weit war. Als sie wieder ihr einfaches Kleid trug, spähte sie aus dem Zimmer.
Gabriel schlief noch immer. Wie Mars, der Kriegsgott.
Er atmete ruhig und gleichmäßig. Nun, er braucht Frieden, dachte sie, und für den Moment hat er ihn gefunden.
Lass ihn schlafen, ermahnte sie sich selbst.
Obwohl alles in ihr danach verlangte, zu ihm zu gehen und ihm einen sanften Abschiedskuss zu geben, würde ihr dies den Abschied noch schwerer machen. Sie ging quer durch das Zimmer zur Tür.
Dort blieb sie stehen, drehte sich um und sah ihn mit Tränen in den Augen an.
Es tut mir so leid.
Sie hoffte, dass er angesichts ihres heimlichen Verschwindens nicht zu sehr verletzt sein würde - und von ihrer Feigheit. Vermutlich würde er zornig sein, wenn er erwachte und feststellte, dass sie ohne ein Wort gegangen war. Aber sie versuchte, sich ins Gedächtnis zurückzurufen, dass er sie anfangs gar nicht hatte hier haben wollen. Sie wischte sich eine einsame Träne ab, dann warf sie ihm eine Kusshand zu.
Sie hörte, wie ihre Männer sich dem Bauernhaus näherten. Dadurch fand sie die Kraft, sich von Gabriel loszureißen und hinauszuschlüpfen.
Sie schlich durch den oberen Gang, die Treppe hinunter, lauschte zur Küche, aber noch konnte sie keine Spur von Mrs. Moss entdecken.
Während sie leise durchs Haus ging, sammelte sie ihren Beutel ein. Als sie endlich draußen war, gab sie ihren Männern ein Zeichen, sich still zu verhalten.
Bei ihrem Anblick wirkten die Männer sehr erleichtert. Sie sah, dass sie ihr ein frisches Pferd mitgebracht hatten, eine weiße Stute mit einem schwarzen Sattel. Während Timo dem braunen Tier einen Strick umlegte, um ihn mitnehmen zu können, folgten ihr die beiden anderen Männer in die Scheune, wo sie ihre Sachen aus dem Versteck holte.
„Geht es Ihnen gut?“, fragte Yannis leise, als sie rasch die Leiter zum Heuboden hinaufstieg.
„Sehr gut.“ Gleich darauf warf sie den roten Samtumhang und andere königliche Insignien hinunter.
Die Kätzchen tapsten zu ihr hin, sie miauten, hatten Hunger. Es versetzte Sophia einen Stich, als sie sich hinunterbeugte und mit einem Finger über ihre Köpfe strich. „Keine Sorge, ihr Kleinen“, flüsterte sie. „Er kommt bald mit der Milch für euch.“
Ein Mann wie Gabriel würde sie nicht vergessen.
„Hoheit, beeilen Sie sich!“, flüsterte Markos vom Fuße der Leiter.
Sophia war erneut erstaunt, wie schwer ihr der Abschied fiel. Sie blickte durch eine Scheunenöffnung zu der Ruine, der kleinen Kirche, in der sie Gabriel zum ersten Mal gesehen hatte. Sie schloss die Augen, verbannte ihn aus ihrem Herzen, weil sie sonst nie die Kraft finden würde, diesen Ort zu verlassen.
Ihr Land brauchte sie.
Es war an der Zeit, in die Wirklichkeit zurückzukehren. Die Ruhe, der kleine Traum, sie waren vorüber. Zurück in die Welt kriegerischer Auseinandersetzungen und herzloser Attentäter, die ihren Tod wünschten.
Sie holte tief Luft, wappnete sich für die Wirklichkeit, dann stieg sie eilends die Leiter hinunter. Sie sprang auf den Boden und nickte ihren Männern zu.
Draußen saßen sie rasch auf und ritten so schnell wie möglich die Straße entlang. Der Staub, den das galoppierende Pferd aufwirbelte, trieb ihr die Tränen in die Augen. Sophia konnte Gabriel nicht aus ihren Gedanken vertreiben. Seine Berührungen waren ihr ins Gedächtnis gebrannt.
Sie ritten weiter, schweigend. Als sie ein oder zwei Meilen zurückgelegt hatten, trafen sie auf die anderen.
Ihre Leibwache hatte sich geteilt, um das Gebiet gezielter nach ihr absuchen zu können, und die Wächter der zweiten Truppe begrüßten sie jetzt mit lauten Rufen der Freude und Erleichterung.
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