Die Mitternachtsrose: Mittsommerhochzeit (German Edition)
Schaden kamen, könnte er sich das niemals verzeihen.
6. KAPITEL
“D u lieber Himmel, du weinst ja! Was ist denn bloß los?”
Noelle saß in ihrer Mittagspause auf einer Bank im Schlosspark, als sie Evas Stimme hinter sich hörte. Hastig wischte sie sich mit den Handrücken über die tränennassen Wangen. “Es ist nichts”, erwiderte sie. “Es geht mir gut.”
Sie spürte den zweifelnden Blick ihrer Freundin und zwang sich zu einem Lächeln. “Wirklich.”
Das entsprach natürlich ganz und gar nicht der Wahrheit. Den ganzen Vormittag bemühte sie sich nun schon, ihrem ersten Versuch für die Verlobungstorte von Matilda Gunvaldsson den letzten Schliff zu geben. Doch ihm fehlte einfach noch das gewisse Etwas. Was allerdings nicht der Hauptgrund für ihren Kummer war.
Vor allem weil sie nur noch an Henrik denken konnte, ging es ihr schlecht.
Seit sie auseinandergegangen waren, fand Noelle keinen Schlaf mehr, hatte keinen Hunger, und auch sonst fehlte ihr jeglicher Elan. Vor allem, was ihre Arbeit betraf.
Sie war einfach nicht in der Lage, sich zu konzentrieren. Wie sollte sie auch, wenn sie jedes Mal, wenn sie auch nur für eine Sekunde die Augen schloss, Henriks lächelndes Gesicht vor sich sah?
Und dann dieser Kuss, der ihr nicht aus dem Kopf ging. Was war bloß mit ihr los? Sie verstand sich selbst nicht mehr! Ihr ganzes Leben schien völlig aus den Fugen geraten zu sein, und das war einzig und allein Henriks Schuld.
Sie wusste nicht, wie er es anstellte, aber eines stand fest: So wie im Moment konnte es unmöglich weitergehen.
“Du denkst an deinen Henrik, nicht wahr? Wie war denn euer Treffen? Ich habe gestern Abend noch versucht, dich zu erreichen, aber ohne Erfolg. Hat er die Tatsache, dass du kein Gast der Königsfamilie bist, gut verkraftet?”
“Erstens ist er nicht
mein
Henrik”, protestierte Noelle heftiger als beabsichtigt. “Und zweitens habe ich es ihm noch nicht gesagt.”
Tadelnd schnalzte Eva mit der Zunge. “Das ist nicht gut, Süße. Du solltest ehrlich zu ihm sein, sonst kann das mit euch nicht funktionieren.”
“Das soll es doch auch gar nicht! Henrik interessiert mich nicht – ich will nur keine Schwierigkeiten, das ist alles.”
“Also gut, demnach redest du dir also immer noch ein, dass du nichts für diesen Mann empfindest.”
“So einfach ist das nicht!” Noelle seufzte. “Henrik ist ein Gast der königlichen Familie, und du weißt genau, was passiert, wenn herauskommt, dass ich mich heimlich außerhalb des Schlosses mit ihm treffe. Außerdem hält er mich schon seit unserer ersten Begegnung für jemanden, der ich gar nicht bin. Und ganz davon abgesehen brauche ich keinen Mann, der mein Leben noch komplizierter macht, als es ohnehin schon ist.”
Lächelnd setzte Eva sich neben sie und nahm ihre Hand. “Du denkst zu viel nach, Noelle. Es geht hier nicht um das, was du willst, sondern darum, was dein Herz dir befiehlt. Sehnst du dich nach diesem Mann?”
Noelle zögerte kurz, dann nickte sie. Was machte es schon für einen Sinn, das Offensichtliche zu verleugnen? Sie sehnte sich so sehr nach Henrik, dass es wehtat. Doch sie durfte diesem Verlangen nicht nachgeben. Er war tabu für sie, und das sagte sie Eva auch.
Ihre Freundin schien das jedoch ein wenig anders zu sehen. “Vergiss doch einmal für einen Augenblick, wer er ist”, meinte sie, “und was alles dagegen spricht, dass es mit euch funktionieren kann. Und dann beantworte mir eine einzige, einfache Frage: Willst du ihn wiedersehen?”
“Ja”, platzte Noelle heraus und überraschte sich damit selbst. “Ja, das will ich!”
“Dann geh und hol ihn dir. Du hast doch heute deinen freien Nachmittag, oder? Unternehmt etwas zusammen. Lern ihn richtig kennen. Danach weißt du dann vielleicht, ob ihr zusammen passt – aber nicht vorher.” Eva warf Noelle einen eindringlichen Blick zu. “Und sag ihm endlich, wer du wirklich bist, hörst du?”
Ein Lächeln stahl sich auf Noelles Lippen. Vielleicht hatte ihre Freundin tatsächlich recht, und sie sollte einfach einmal spontan sein.
“Also gut”, stimmte sie zu. “Ich werde es versuchen. Was habe ich schon zu verlieren?”
Ihren Job, ihren großen Traum – die Liste ließe sich noch endlos weiter fortsetzen. Trotzdem wusste Noelle, dass sie es einfach tun musste. Und sei es nur, um sich darüber klar zu werden, was sie wirklich für Henrik empfand.
Vielleicht würden ihr ein paar Stunden mit ihm dabei helfen, endlich den Zauberbann zu brechen,
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