Die Mitternachtsrose: Mittsommerhochzeit (German Edition)
mit dem er sie belegt hatte.
“Wenn es Ihnen passt, könnten wir uns heute Abend in Ihrem Hotel in Stockholm treffen”, sagte Henrik ins Telefon. Er stand am Fenster des Gästezimmers auf Kronborg Slott und schaute hinaus in den Schlosspark, ohne die Schönheit der Natur wirklich wahrzunehmen. Dazu war er innerlich viel zu angespannt, denn er sprach mit niemand anderem als Göran Gunvaldsson – Matildas Vater. “Ich würde gern mit Ihnen über den Kredit …”
“Das wird nicht nötig sein. Wir treffen uns ja ohnehin demnächst auf dem Schloss.” Gunvaldsson seufzte. “Wissen Sie, was meine Tochter vorhat? Ich weiß, dass sie die halbe Familie zum Nachmittagskaffee eingeladen hat, aber niemandem verraten wollte, was der Anlass dafür ist.”
Henrik verneinte. “Sie sagt, es sei eine Überraschung. Aber hören Sie, wir könnten uns doch vielleicht morgen …”
“Tut mir leid, aber mein Terminkalender ist vollkommen ausgebucht. Was das Geld betrifft, sollten Sie sich aber keine Sorgen machen. Ich werde in Kürze alles in die Wege leiten. Dafür, dass meine Tochter in naher Zukunft einen echten schwedischen Adelstitel tragen wird, bin ich gern bereit, meine Beziehungen ein wenig spielen zu lassen. Außerdem kann ich schließlich nicht zulassen, dass sich der Lebensstandard meines kleinen Mädchens nach der Heirat verschlechtert, nicht wahr?” Der einflussreiche Bankier lachte schallend und beendete das Gespräch, bevor Henrik etwas erwidern konnte.
Ärgerlich schleuderte Henrik das Handy aufs Bett. Trotz all der Demütigungen musste er gute Miene zum bösen Spiel machen. Die Zukunft seiner Familie und das Leben seines Vaters hingen davon ab.
Eigentlich sollte er zufrieden sein. Gunvaldssons mündliche Zusage bedeutete so viel wie ein Vertrag. Er würde das Geld bekommen, das er so dringend benötigte, um den Fortbestand des Schlosshotels zu sichern. Also, warum fühlte er sich dann so miserabel?
Es lag an Noelle. Trotz des festen Vorsatzes, sie sich aus dem Kopf zu schlagen, konnte er sie einfach nicht vergessen. Dabei kannte er seine Prioritäten!
Doch sie hatte ihm erst richtig bewusst gemacht, auf was er sich einließ, wenn er Matilda tatsächlich heiratete. Und das, obwohl er wusste, dass es keine gemeinsame Zukunft für Noelle und ihn geben konnte. Wenn sie erst einmal die ganze Wahrheit kannte, würde sie es wahrscheinlich auch gar nicht mehr wollen.
Es blieb dabei: Matilda zu heiraten, war das einzig Vernünftige. Seufzend fuhr Henrik sich durchs Haar. Früher oder später würden diese irritierenden Gefühle für Noelle von selbst verschwinden. Das hoffte er wenigstens. Und bis es so weit war, musste er sich immer wieder vor Augen halten, welche Verantwortung auf seinen Schultern lastete.
Im Grunde verhielt es sich doch ganz unkompliziert: Er heiratete Matilda, ihr Vater gewährte ihm den Kredit für das Schlosshotel, und alle wären glücklich und zufrieden. Im Vergleich dazu war das Opfer, das er brachte, eigentlich recht gering. Er sollte froh sein, seiner Familie diesen Dienst erweisen zu dürfen. Damit wäre allen geholfen – sogar ihm selbst. Wenn nicht Noelle so plötzlich und unerwartet in sein Leben getreten wäre …
Noelle, immer wieder Noelle!
Und dann sah er sie plötzlich. Sie kam durch den Park auf das Schloss zu, blieb einmal kurz stehen, um ein paar Worte mit einer jungen Frau zu wechseln, und ging dann weiter.
Henrik hielt die Luft an. Nervös wippte er auf den Fußspitzen. Sein Verstand sagte ihm, dass er sich besser abwenden und um seine eigenen Angelegenheiten kümmern sollte. Noelle war nicht gut für ihn. In ihrer Gegenwart verlor er viel zu leicht die Kontrolle.
Doch es war nicht mehr die Stimme der Vernunft, die sein Handeln bestimmte. Kurz entschlossen nahm er das Jackett vom Garderobenhaken, verließ das Gästezimmer und eilte nach unten. Als er ein paar Minuten später durch das rückwärtige Portal des Schlosses trat, kam Noelle gerade die Treppe hinauf. Sie sah ihn und blieb wie angewurzelt stehen.
Es war genau wie bei ihrer ersten Begegnung: Henrik stockte der Atem, als er sie betrachtete. Sie war so wunderschön, dass es ihm fast das Herz zerriss. Der Blick ihrer blauvioletten Augen hielt den seinen gefangen. Er wagte kaum zu blinzeln, aus Angst, sie könnte wieder verschwunden sein, sobald er die Lider auch nur einen winzigen Moment lang schloss.
Verschwunden wie die Fee aus dem Märchen …
Es war Noelle, die das Schweigen brach. “
Hej”,
war
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