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Die Mitternachtsrose

Die Mitternachtsrose

Titel: Die Mitternachtsrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucinda Riley
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war erneut überrascht über den tadellosen Zustand. Die Badewanne war alt, wirkte jedoch nicht so abgenutzt wie fast alles andere im Haus. Eine Wand wurde ganz von Spiegelschränken eingenommen. Rebecca öffnete einen und staunte über die wunderschönen Gewänder darin, die alle in transparenten Kleidersäcken steckten.
    » Violets Sachen « , murmelte sie, kehrte ins Schlafzimmer zurück und ging zu der anderen Tür. Dahinter befand sich ein kleiner, hübsch eingerichteter Wohnraum. Auf einem Sekretär standen Fotos in Silberrahmen, aus denen ihr Violets Gesicht – ihr eigenes Gesicht – entgegenblickte. Neben ihr war ein attraktiver junger Mann in Abendgarderobe zu sehen; das musste Donald sein, Anthonys Großvater.
    Eine weitere Tür führte zu einem karg eingerichteten kleineren Zimmer, das offensichtlich einem Mann gehört hatte. Das schmale Holzbett, der Mahagonischrank, die Kommode und das volle Bücherregal darin sagten ihr, dass das Donalds Ankleideraum gewesen sein musste. Rebecca las die Titel der Bände im Regal, die von Kinderbüchern bis zu Thomas Hardy reichten. Besonders einer fiel ihr auf: Auf dem Rücken eines dicken, in braunes Leder gebundenen Bandes stand in geprägten Goldlettern » Rudyard Kipling « . Das erinnerte sie an das Gedicht » If « des berühmten Schriftstellers, das Ari tags zuvor erwähnt hatte. Als sie ihn herauszog, fiel ihr Blick auf reich verzierte Goldinsignien. Sie setzte sich aufs Bett, schlug das Buch vorsichtig auf und fand darin eine Widmung in verblasster Tinte:
    Weihnachten 1910
    Mein lieber Donald, dieses besondere Geschenk habe ich vom Maharadscha von Koch Bihar nach fünf Jahren als dortiger Resident vor meiner Rückkehr nach England erhalten. Er hat es eigens für mich in Auftrag gegeben, da er wusste, dass Rudyard Kipling mein Lieblingsautor ist. Ganz vorne befindet sich sein mit der Hand geschriebenes Gedicht, aber eigentlich ist es ein Tagebuch.
    Verfahre damit, wie Du möchtest.
    Dein Dich liebender Vater
    George
    Rebecca wusste von der Inschrift im Mausoleum, dass George Astbury wenige Wochen später im Januar 1911 gestorben war.
    Sie blätterte zu dem handgeschriebenen, mit erlesenen Goldverzierungen geschmückten Gedicht. Als sie es gelesen hatte, wusste sie, dass ein Vater seinem Sohn kaum ein schöneres letztes Geschenk machen konnte.
    Die Worte gaben ihr noch hundert Jahre später Kraft.
    Ein Tintenfleck auf einer der Seiten veranlasste sie weiterzublättern, und sie setzte sich wieder, um den ersten, in makelloser Schrift verfassten Eintrag zu lesen.
    Januar 1911
    Vater ist vor vier Tagen gestorben. Ich habe es in der Schule erfahren und bin jetzt zur Beisetzung zu Hause. Mutter verbringt die meiste Zeit in der Kapelle und besteht darauf, dass wir sie begleiten. Offen gestanden kann ich im Moment nicht so recht an IHN glauben, aber ich werde mein Möglichstes tun, um sie in ihrem Kummer zu stützen. Auch Selina wirkt verzweifelt. Mir ist klar, dass ich jetzt der Mann im Haus bin und Stärke beweisen muss. Aber die Wahrheit sieht so aus: Vater, du fehlst mir schrecklich, und ich weiß nicht, wie ich die Frauen trösten soll.
    Der Rest der Seite war leer, doch als Rebecca erneut weiterblätterte, stellte sie fest, dass das Tagebuch 1912 von Neuem begann, dass in den nächsten drei Jahren gelegentliche Einträge folgten und diese schließlich im Februar 1919, also nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, wieder aufgenommen wurden.
    Da hörte Rebecca, wie jemand ihren Namen rief. Sie stellte das Buch ins Regal zurück und eilte ins Schlafzimmer.
    » Wie geht es Ihnen, meine Liebe? « , erkundigte sich Mrs Trevathan, die gerade hereingekommen war.
    » Besser, danke. «
    » Sie haben auch wieder ein bisschen mehr Farbe. Rebecca, Jack ist wach und möchte Sie sprechen. Ich habe ihm gesagt, dass Sie schlafen. Fühlen Sie sich in der Lage, ihn zu sehen? «
    » Nicht wirklich « , gab sie zu.
    » Soll ich dafür sorgen, dass er bis morgen beschäftigt ist? Er könnte seinen Schauspielerfreund ins Hotel in Ashburton begleiten. Mr James hat sich übrigens nach Ihnen erkundigt und schickt Ihnen liebe Grüße. «
    » Das wäre sehr nett von Ihnen. Aber wenn Jack tatsächlich mit James ausgehen sollte, könnte es spät werden … «
    » Keine Sorge, darum kümmere ich mich schon. «
    » Schicken Sie ihn bitte, falls er Ihnen Unannehmlichkeiten machen sollte, zu mir. «
    » Ich kann Ihnen versichern, dass ich schon sehr viel Schlimmeres als Ihren jungen Mann in den

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