Die Mitternachtsrose
die Angst in Mrs Trevathans Augen sah.
» Er mag’s wirklich nicht, wenn jemand unangemeldet sein Zimmer betritt. «
» Herrgott, sagen Sie ihm, es handelt sich um einen Notfall! Wenn Sie es nicht tun, mache ich es. « Als Ari einen Schritt auf die Tür zutrat, öffnete sie sie selbst.
» Warten Sie hier. « Sie ging hinein und schloss die Tür hinter sich.
Wenige Sekunden später kam sie wieder heraus. » Er ist nicht in seinem Zimmer. «
Ari wirkte nicht sonderlich überzeugt.
» Hören Sie, junger Mann, Rebeccas Verschwinden beunruhigt mich genauso sehr wie Sie, und ich versichere Ihnen noch einmal, dass Seine Lordschaft nicht da drin ist. Er macht öfter mal nächtliche Spaziergänge. «
» Und wo führen die ihn für gewöhnlich hin? «
» Ach, er bleibt auf dem Anwesen. «
» Mrs Trevathan! « Allmählich verlor Ari die Geduld. » Es ist nach Mitternacht, und wir haben immer noch keine Spur von Rebecca. Offenbar ist jetzt auch noch Anthony verschwunden. Ich hätte gute Lust, auf der Stelle die Polizei zu rufen. «
Mrs Trevathan sah ihn entsetzt an. » Bitte, tun Sie das nicht! Ich bin sicher, dass ihr nichts fehlt. Vielleicht ist sie mit Seiner Lordschaft unterwegs … «
» Mir ist klar, dass Sie zu Loyalität verpflichtet sind, aber auch, dass Sie mehr wissen, als Sie zugeben. Ich habe vorhin mit Ihrer Mutter gesprochen, von der Sie behauptet hatten, dass sie nachts im Haus herumgeistert. Sie selbst hat mir erklärt, sie könne sich ohne Rollstuhl nicht fortbewegen. Rebecca hat neulich nachts nicht sie gesehen, stimmt’s? Sie haben gelogen. Mrs Trevathan, Sie haben exakt dreißig Sekunden, um mir zu verraten, wo ich Lord Anthony finde, bevor ich die Polizei rufe! «
Ari ging mit großen Schritten den Flur entlang und die Treppe hinunter zum Arbeitszimmer. Mrs Trevathan hastete ihm nach. Als er den Hörer von der Gabel nahm, kapitulierte sie.
» Bitte nicht … « Sie sank weinend in einen Sessel. » Ich wusste, dass es ihm nicht bekommen würde, wenn sein Tagesablauf durcheinandergebracht wird. Solange er Ruhe hat und sich zurückziehen kann, läuft es ganz gut. Dieses Chaos ist schuld an allem. Ich hätte es ahnen müssen. «
» Sagen Sie mir einfach, wo Sie sie vermuten, dann kommen wir bestimmt auch ohne Polizei zurecht. «
Mrs Trevathan holte tief Luft.
» Wir brauchen den Wagen. «
46
Beim Teetrinken mit Alice gingen Rebecca tausend Gedanken durch den Kopf. Während sie die höflichen Antworten gab, die Alice zu erwarten schien, versuchte Rebeccas allmählich erwachendes Gehirn, das Puzzle zusammenzusetzen.
» Macht unsere kleine Teegesellschaft nicht Spaß? «
» Ja. «
» Weißt du, Violet, Mummy hat dich sehr geliebt « , erklärte Alice. » Sie hat dafür gesorgt, dass die Bediensteten in deinen Räumen jeden Tag Staub wischten, sie hat dein Bett frisch beziehen und alle Vasen mit Blumen füllen lassen. Natürlich warst du tot, aber sie hat immer gesagt, dass ich dich eines Tages kennenlernen würde. Ich glaube, sie meinte im Himmel, aber jetzt bist du schon hier auf Erden bei mir! Ist das nicht schön? «
» Ja « , antwortete Rebecca artig.
» In der Zeit, die du da oben warst, hat Mummy einfach so getan, als wär ich Violet. « Alice strich sich über die Haare. » Als ich klein war, hat Mummy gesagt, ich wäre dir wie aus dem Gesicht geschnitten. Sie hat mir die Haare lang wachsen lassen und mir hübsche Seidenbänder hineingeflochten. Außerdem hat sie mir die hübschesten Kleider von Harrods schicken lassen, auch das, das ich gerade trage. «
» Es ist sehr schön « , sagte Rebecca, der aufgefallen war, dass Alice Schmeicheleien liebte.
» Danke. Es freut mich so, mich mit einer anderen jungen Dame unterhalten zu können. Mummy mochte Jungs – und Männer – nicht sonderlich. Ihrer Ansicht nach waren das schmutzige, stinkende, aggressive Kerle. Sie hat immer gesagt, die taugen nur zu einem. Wir wissen beide, was sie damit meinte. « Alice kicherte und wurde rot.
» Da hatte sie bestimmt recht « , pflichtete Rebecca, die mehr und mehr begriff, Alice bei.
» Als Kind war ich sehr einsam. Ich durfte keine anderen kleinen Mädchen einladen und hatte keine Freundinnen. Schade, dass du damals nicht hier warst. Wir verstehen uns gut, nicht wahr? Wir sind uns so ähnlich. «
» Ja. Dass du so einsam warst, tut mir leid. «
» Deshalb habe ich mir meine Freundin Amy ausgedacht. Wir haben stundenlang miteinander geredet, obwohl ich wusste, dass sie nicht real ist. Und
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