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Die Mitternachtsrose

Die Mitternachtsrose

Titel: Die Mitternachtsrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucinda Riley
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in den Vitrinen der Bibliothek im Palast von Koch Bihar vollerSehnsucht betrachtet hatte. Hier durfte ich sie tatsächlich anfassen. Ich nahm einen Band nach dem anderen in dieHand und ließ die Finger über die goldgeprägten Titel gleiten.
    » Such dir aus, was du willst, Anni « , forderte Indira mich auf, die nun genauso ungeduldig neben mir wartete wie ich zuvor in der Damenabteilung auf sie.
    Am Ende entschied ich mich für drei Bücher: Die gesammelten Werke von Charles Dickens, Jane Eyre von Charlotte Brontë und Stolz und Vorurteil von Jane Austen. Als wir Harrods verließen, presste ich sie an meine Brust, weil ich kaum glauben konnte, dass sie mir gehörten und ich sie nie wieder hergeben musste.
    In unserem Zimmer im obersten Stockwerk des Hauses in der Pont Street stellte ich stolz die drei Bände ins Regal und schwor mir, dass ich eines Tages genug Geld verdienen würde, mir so viele Bücher zu kaufen, wie ich wollte.
    Obwohl England mich zutiefst beeindruckte, verstärkte der Aufenthalt in London mein Gefühl, von der Koch-Bihar-Familie abhängig zu sein. Im Palast war ich eine von vielen, die ernährt und versorgt werden mussten. Hier in London wurde es mir deutlicher bewusst. Obwohl Indira immer mehr als genug Geld hatte und ausgesprochen großzügig war,mochte ich sie um nichts bitten. In dem kleinen Gebetsraum an der hinteren Seite des Hauses kniete ich nieder und brachte Lakshmi, der Göttin von Glück und Wohlstand, puja in der Hoffnung dar, dass ich irgendwann finanziell unabhängig sein würde.
    Einige Tage später führte ein Harrods-Besuch Indira und mich unter den wachsamen Blicken von Miss Reid in eine neue Abteilung– in die mit den Schuluniformen.
    » Wir müssen Krawatten tragen– wie Männer! « , rief Indira aus, als Miss Reid ihr zeigte, wie man sie band. Indira griff sich mit gespieltem Entsetzen an den Hals. » Hilfe, ich krieg keine Luft mehr. «
    Anschließend wandten wir uns den Blusen, Kittelschürzen und Pullovern zu, die so sehr kratzten, dass es sich anfühlte wie tausend Flöhe auf der Haut.
    » Diese hier « , erklärte die Verkäuferin, » tragen die Mädchen beim Sport, bei Korbball oder Hockey. « Sie hielt eine formlose braune Hemdbluse und eine weite, dazu passende Hose hoch.
    » Korbball? Hockey? Das will ich gar nicht lernen « , erklärte Indira schnippisch.
    » Es wird dir Spaß machen, wenn du es erst einmal versucht hast « , meinte Miss Reid mit bewundernswerter Geduld. » Du hältst dich doch so gerne draußen im Freien auf. Bei den englischen Ballspielen bist du in deinem Element. «
    » Bestimmt nicht. «
    Miss Reid und ich sahen einander an, als Indira in den Umkleideraum stapfte, um die grässliche Bluse anzuprobieren.
    Eine Woche später wurden wir mit dem Wagen nach Eastbourne in Sussex gebracht. Indira, die neben mir auf dem Rücksitz des feudalen Rolls-Royce saß, starrte unglücklich in die grüne englische Landschaft hinaus, die ich wunderschön fand. Der Herbst hatte gerade begonnen; die Blätter färbten sich gelb, und der weiche frühmorgendliche Nebel hatte eine beruhigende Wirkung auf mich. Miss Reid, die uns auf der Fahrt begleitete, plauderte vorne mit dem Chauffeur. Schließlich erreichten wir ein schmuckloses graues Gebäude, das mich ein wenig an Dotheboys Hall erinnerte, das Internat, an dem der junge Nicholas Nickleby in dem Roman von Charles Dickens als Hilfslehrer beginnt.
    Der Chauffeur holte unser Gepäck aus dem Kofferraum, während Indira sich weigerte auszusteigen. Miss Reid und ich hingegen kletterten hinaus und betrachteten die Schule.
    » Kein Grund zur Nervosität, meine Liebe, die Zeit hier wird dich voranbringen. Und… « , fügte Miss Reid mit gedämpfter Stimme hinzu, » Indira muss zum ersten Mal ohne ihre Zofe zurechtkommen. Lass dich von ihr nicht wie ein Dienstmädchen behandeln, ja? Vergiss nicht: Du magst zwar keine Prinzessin sein, aber immerhin bist du eine gebildete junge Dame und die Cousine einer Maharani. «
    » Keine Sorge « , versicherte ich ihr.
    Miss Reid hatte keine Gelegenheit mehr, noch etwas zu sagen, weil Indira endlich aus dem Wagen ausgestiegen war und sich im Schneidersitz auf die Kiesauffahrt setzte.
    » Steh auf! « , schalt Miss Reid sie. » Und benimm dich wie die junge Dame, die du in den vergangenen Wochen unbedingt werden wolltest! «
    Indira verschränkte trotzig die Arme.
    Ich ging neben ihr in die Hocke. » Komm, Indy, steh auf, bevor die anderen dich sehen und dich für ein kleines

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