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Die Mitternachtsrose

Die Mitternachtsrose

Titel: Die Mitternachtsrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucinda Riley
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« , antwortete ich.
    Letztlich machte es mir tatsächlich nichts aus, in ein Bedienstetenzimmer umzuziehen. Doch ich fühlte mich in der Angst bestätigt, die ich den ganzen Winter über verspürt hatte. Indira konnte ich keinen Vorwurf machen; es war nur natürlich, dass sie sich von mir weg entwickelte. Schließlich war es ihr vorherbestimmt, in der besten Gesellschaft zu verkehren und eines Tages die Frau eines Maharadschas zu werden, während… mein Schicksal ungewiss war.
    Zu allem Unglück kamen in der Zeit, in der Celestria meinen Platz in dem Bett neben Indira einnahm, Kriegsgerüchte auf. In London beruhigten die Menschen einander, dass der Kaiser nicht so dumm sein würde, grundlos einen Angriff auf ein Nachbarland zu starten. Ich hatte dabei nur einen Gedanken: Wenn der Krieg tatsächlich ausbrach, würden wir am Anfang der Sommerferien mit Sicherheit nicht nach Indien zurückkehren können.
    Indiras Eltern reisten einige Tage nach Ostern in die Heimat, weil ihr Vater in Koch Bihar Staatsgeschäfte zu erledigen hatte. Während der Fahrt zurück zur Schule am Ende der Ferien, als ich Indira endlich wieder für mich hatte, schnitt ich das Thema an.
    » Ach was, es wird keinen Krieg geben « , wiegelte sie ab. » Außerdem können wir, wenn nötig, sicher in dem Haus in der Pont Street bleiben. Nach allem, was ich gehört habe, macht die Saison in London einen Riesenspaß. «
    Ich war schockiert über ihre Nonchalance. War das wirklich noch dasselbe Mädchen, das ein paar Monate zuvor bei dem Gedanken geweint hatte, seinen Lieblingselefanten allein lassen zu müssen? Diese Geziertheit, derer sich Indira nun wie ihre englischen Freundinnen befleißigte, hätte mich fast dazu gebracht, sie zu schütteln.
    Als Indira mich später in der Schule fragte, ob es mir etwas ausmache, wenn sie in den Schlafraum von Celestria und ihren Freundinnen ziehe, fügte ich mich klaglos in mein Schicksal. Ich musste akzeptieren, dass Indira sich unwiderruflich verändert hatte.
    Die Zeit bis zu den Sommerferien verging schnell, zum Teil deshalb, weil mir klar wurde, dass Indira für mich – zumindest fürs Erste – verloren war. Charlotte, das Mädchen, das jetzt in Indiras früherem Bett neben dem meinen schlief, war nett und freundlich, ihr Vater als Militärgeistlicher im Ausland stationiert. Obwohl ich nie mehr eine Freundschaft wie die mit Indira würde haben können, entdeckte ich bei Charlotte und mir doch immerhin Gemeinsamkeiten. Weil ihre Schulgebühren von der Armee bezahlt wurden, nahm sie den Unterricht, anders als viele unserer englischen Klassenkameradinnen, die die Schule als Zeitvertreib vor dem eigentlichen Gesellschaftsleben und der Ehe erachteten, ernst. Charlotte wollte Erzieherin werden.
    » Das bisschen, was Vater verdient, spart er fürs Alter. Für mich bleibt da nichts übrig, also muss ich später entweder bei meinen Eltern wohnen oder mir selbst meinen Lebensunterhalt verdienen «, vertraute sie mir eines Nachts an.
    Das brachte mich auf die Idee, meinerseits über eine Zukunft als Erzieherin nachzudenken. Nach meiner Schulzeit wäre ich qualifiziert, kleine Kinder zu unterrichten. Aber wer würde mich schon wollen? In Indien galt es als Statussymbol, eine Engländerin für die Kinder einzustellen, doch es würde sich weder eine englische noch eine indische Familie finden, die ihren Nachwuchs von einer Inderin erzogen wissen wollte.
    Mir wurde immer bewusster, dass ich mich in einem Niemandsland befand. Ich war in einem Palast aufgewachsen, jedoch arm; ich besuchte eine englische Schule, hatte aber die falsche Hautfarbe, um etwas damit anfangen zu können. Ich gehörte nicht der Arbeiterschicht an, jedoch auch nicht der Oberschicht, in der ich Aussichten auf eine gute Partie gehabt hätte. Ich musste an den kleinen Jutebeutel denken, der auf dem Anwesen des Palasts von Koch Bihar unter dem Pavillon verborgen war, und betete zu allen mir bekannten Göttern und Göttinnen, dass er nach wie vor dort vergraben lag.

13
    Im Juni wurde dann überall vom Krieg geredet, und eine Rückkehr nach Indien rückte für uns in weite Ferne. Indira und ich würden den Sommer auch nicht in dem Haus in der Pont Street verbringen, das verschlossen war, weil ein Großteil des Personals sich freiwillig gemeldet hatte. Außerdem fürchtete Indiras Mutter Bombenangriffe auf London, weswegen sie ihre Tochter und mich den Sommer über ins südenglische Devon schicken wollte. Die Witwe des früheren Residenten– des

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