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Die Mitternachtsrose

Die Mitternachtsrose

Titel: Die Mitternachtsrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucinda Riley
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Mädchen, ich hoffe, dass ihr Prinzessin Indira und Miss Chavan bei der Eingewöhnung helft. Aber jetzt werde ich euch erzählen, was ich während meiner Reise durch das britische Indien erlebt habe. «
    Nach der Stunde wurden wir hinausgeschickt, um die säuerliche Milch für die Pause zu holen und ein wenig erfrischende Seeluft zu schnappen, was den Briten sehr wichtig zu sein schien. Sonst standen Indira und ich in einer Ecke des Hofs und schütteten unsere Milch verstohlen in die Büsche. Doch an jenem Tag war alles anders. Die Mädchen folgten uns.
    » Bist du wirklich eine Prinzessin? «
    » Wohnst du in einem Palast? «
    » Hast du viele Diener? «
    » Bist du schon mal auf einem Elefanten geritten? «
    » Trägst du zu Hause eine Krone? «
    Die Mädchen scharten sich neugierig um Indira, während ich daneben stand und beobachtete, wie sie huldvoll lächelnd so viele Fragen wie möglich beantwortete. Als später die Pausenglocke ertönte und wir in den Speisesaal strömten, gesellte sich Celestria, das beliebteste Mädchen unserer Klasse, zu uns.
    » Setzt du dich beim Essen zu uns, Prinzessin Indira? «
    » Natürlich. «
    Indira entfernte sich mit Celestria ein paar Meter, bevor sie sich zu mir umdrehte. » Anni muss auch mitkommen. «
    Celestria nickte, doch als wir den langen Tisch erreichten, machten die Mädchen in der Mitte nur für Indira und Celestria Platz. Ich musste mich ganz an den Rand setzen.
    In jener Stunde sonnte sich Indira in der Aufmerksamkeit und Bewunderung unserer Mitschülerinnen. Das konnte ich ihr nicht verdenken, denn sie war es gewöhnt, dass Menschen sich ihr unterordneten und ihr jeden Wunsch von den Augen ablasen. Sie war, anders als ich, etwas Besonderes.
    Jener erste harte Winter in England sollte zu einer der trostlosesten Zeiten meines Lebens werden. Indiras Selbstbewusstsein wuchs, allmählich kam ihre Lebhaftigkeit zum Vorschein, und die Mädchen buhlten um ihre Gunst. Schon bald wurde sie von den anderen umschwärmt wie die Bienenkönigin im Stock. Obwohl sie sich Mühe gab, mich teilhaben zu lassen, machten unsere Mitschülerinnen klar, dass sie sich nicht für eine einfache Gefährtin interessierten, die auch nicht so witzig und charmant war wie Indira. Ich fühlte mich immer isolierter und brachte die Mittagspausen oft lesend in der Bibliothek zu, um Indira nicht zur Last zu fallen.
    Zu allem Überfluss legte ich aufgrund des üppigen englischen Essens und der hormonellen Umstellung Gewicht zu, während Indiras Körper elegante Formen entwickelte. Außerdem stellte ich fest, dass ich bei schlechtem Licht beim Lesen kaum noch die Buchstaben erkennen konnte. Man schickte mich zum Schularzt, der mir eine hässliche Brille mit dicken Gläsern verschrieb.
    Hin und wieder kroch Indira in der Nacht noch zu mir ins Bett und kuschelte sich an mich.
    » Ist alles in Ordnung, Anni? «
    » Ja, natürlich « , log ich dann.
    Tagsüber, wenn sie mit ihren neuen englischen Freundinnen zusammen war, nahm sie kaum noch Notiz von mir. Ich spürte deutlich, dass ich ihr peinlich geworden war. Also vergrub ich mich in meine Bücher und sehnte mich nach dem Juni, wenn wir in den Palast zurückkehren würden und zwischen Indira und mir alles wieder so wäre wie früher.
    Mir wurde leichter ums Herz, als der Frühling nahte und wir in den Osterferien in das Haus in London fuhren. Doch dort sah ich von Indira noch weniger als in der Schule, weil sie ständig zu ihren neuen Freundinnen oder zum Tee in schicken Hotels eingeladen war.
    Als sie eines Nachmittags von einer solchen Einladung zurückkam, fand sie mich lesend auf dem Bett in unserem Zimmer vor.
    » Anni, ich wollte dich um einen großen Gefallen bitten « , erklärte sie mit ihrem frisch erworbenen englischen Akzent.
    Ich nahm die Brille ab und sah sie an. » Ja, Indy, worum geht’s? «
    » Celestrias Eltern sind in Frankreich, es wär schrecklich langweilig für sie, wenn sie allein mit ihrer Erzieherin in ihrem Landhaus bleiben müsste. Sie hat mich gefragt, ob sie zu uns in die Pont Street kommen kann. Und Ma hat Ja gesagt. «
    » Wie schön « , murmelte ich.
    Sie seufzte theatralisch. » Aber da gibt es ein Problem. Das einzige freie Zimmer, das wir haben, ist die alte Abstellkammer am Ende des Flurs. Da kann ich Celestria kaum unterbringen– schließlich ist sie die Tochter eines Lords. Würde es dir schrecklich viel ausmachen, wenn ich dich in der einen Woche, die sie bei uns sein wird, dort einquartiere? «
    » Nein, nein

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