Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mitternachtsrose

Die Mitternachtsrose

Titel: Die Mitternachtsrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucinda Riley
Vom Netzwerk:
ausrief: » Meine Lords, Damen und Herren, bitte um Ruhe für den Kapitän. «
    Alle wandten sich dem Kapitän zu, der ausgerechnet in der Nähe der Tür saß, durch die Indira und ich uns hineinzuschleichen versuchten. Alle wandten sich uns zu. Ich erstarrte wie ein Kaninchen im Scheinwerferlicht und wurde so tiefrot wie Indiras geschminkte Lippen.
    Der Kapitän folgte dem Blick der Gäste. » Meine Damen… « Er nickte uns zu. » Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein, damit ich das Dankgebet sprechen kann. «
    » Danke. « Indira marschierte hoch erhobenen Hauptes auf den Kapitänstisch zu. Zum ersten Mal erkannte ich die Prinzessin in ihr. Wir setzten uns auf die beiden Plätze, die man am Ende des Tischs für uns freigehalten hatte. Dabei beobachtete ich Prinz Varun, der Indira nun eindeutig mit anderen Augen sah.
    Das pfirsichfarbene Kleid verlieh Indira Eleganz und Anmut. Selbst ihre Eltern, die sie mit ihrem Auftritt verblüfft hatte, betrachteten sie mit Wohlwollen.
    Wieder einmal, dachte ich, die ich mich in meinem Musselinkleid unattraktiv und unwohl fühlte, tat die Schönheit ihre Wirkung. Niemand hatte verärgert reagiert, alle waren entzückt. Als die Band zu spielen begann, führte der Maharadscha höchstpersönlich seine jüngste Tochter auf die Tanzfläche. Danach folgten ihr Bruder Raj und schließlich Prinz Varun. Als Miss Reid um zehn Uhr auftauchte und mich fragte, wo Indira sei, nickte ich in Richtung Tanzfläche.
    » Wo? « , fragte sie verwirrt.
    » In dem pfirsichfarbenen Kleid. Sie tanzt mit Prinz Varun. «
    Sie schlug entsetzt die Hand vor den Mund und blickte unsicher zur Maharani hinüber. » Das kostet mich wahrscheinlich die Stelle. Hast du Bescheid gewusst? «
    » Ja « , antwortete ich. » Aber was sollte ich machen? «
    » Tja, wir sind machtlos. « Miss Reid stieß einen tiefen Seufzer aus. » Sie ist eine Prinzessin. «
    In jener Nacht musste ich mir wieder und wieder die Einzelheiten von Indiras Triumph und ihrem Tanz mit Prinz Varun anhören. Am Ende hatte er ihr offenbar zugeflüstert, dass sie dabei sei, sich in eine schöne junge Frau zu verwandeln, die sich bald mit ihrer Mutter messen könne. Da kamen mirzum ersten Mal Zweifel daran, dass Indira und ich bis an unser Lebensende zusammen sein würden. Sie wurde vor meinen Augen erwachsen, und eines Tages, dachte ich, die Tränen unterdrückend, würde ihr meine Freundschaft allein nicht mehr genügen. Sie würde die Liebe eines Mannes brauchen.
    Am folgenden Tag erwachte ich mit einem Gefühl der Beklommenheit, weil ich nach Indiras Auftritt mit einem Nachspiel rechnete. Doch erstaunlicherweise passierte nichts. Stattdessen hörte ich bei den Verabschiedungen immer nur, wie schön Indira ausgesehen habe. Das hässliche Entlein hatte sich in einen schönen Schwan verwandelt, und niemanden schien es zu stören, dass sie sich nicht an die gesellschaftlichen Regeln gehalten hatte.
    Während Indira von Kabine zu Kabine huschte und sich von ihren neuen Freunden verabschiedete, ging ich an Deck, um einen Blick auf das Land zu werfen, von dem ich so viel gehört hatte und das nun in Sicht kam.
    Obwohl es August war, angeblich einer der wärmsten Monate in England, zitterte ich in meiner dünnen Baumwollbluse vor Kälte. So früh am Tag hing der Nebel tief über dem Hafen von Southampton. Zum ersten Mal atmete ich englische Luft, die ziemlich unspektakulär nur nach Salz roch.
    Ich versuchte, meine düsteren Gedanken mit der Vorfreude darauf zu bekämpfen, dass ich in etwa einer Stunde das gelobte grüne Land betreten würde, das einige der weltbesten Schriftsteller zu ihren Werken inspiriert hatte.
    Doch das gelang mir nicht.
    Vielleicht, tröstete ich mich, war ich einfach erschöpft von den Ereignissen des vergangenen Abends, aber letztlich wusste ich, dass meine Melancholie tiefere Ursachen hatte. Noch nicht mit den merkwürdigen Gefühlen vertraut, die das hohe Singen mit sich brachte, wunderte ich mich über die Gänsehaut, die mich überlief. Inzwischen weiß ich natürlich, dass diese Gefühle mich vor einer Gefahr warnen sollten.
    Als das Schiff beim Anlegen ein letztes Mal laut tutete, herrschte auf den Decks ausgelassene Stimmung. Und am Pier sah ich winzige Gestalten mit Union Jacks winken, die einen ersten Blick auf die Ankommenden erhaschen wollten.
    Wenig später leerte sich das Deck, weil alle in ihre Kabinen zurückkehrten, um ihre Habseligkeiten zu holen und sich auf die Ankunft vorzubereiten, und plötzlich war ich

Weitere Kostenlose Bücher