Die Mondspielerin: Roman (German Edition)
court-bouillon auf dem Herd zu tanzen, der Sud kochte über und sprühte zischend und fauchend auf den Gasherd.
Marianne ging, ohne nachzudenken, zu dem Topf, drehte das Gas herunter und hob den Deckel.
»Gemüsebrühe?« Sie nahm einen Löffel, schöpfte etwas Brühe darauf und ließ sie im Gaumen kreisen. »Das … ohne dass ich Sie beleidigen will, aber …« Sie entdeckte den Guérande-Salz-Becher, schüttelte ihn und sagte: »Pfui.«
»Fui. Oui. Laurine. Fui«, raunte Jeanremy. Ihm war schwindelig.
»Laurine Pfui?«
Er schüttelte den Kopf und klopfte dann gegen sein Herz.
»Ah, Sie haben wegen Laurine das Salz …«
Ein verliebter Koch. Die zuverlässigste Methode, eine Küche zu ruinieren.
Marianne sah sich um. Im Kühlhaus fand sie, was sie suchte: rohe Kartoffeln. Flink begann sie, zehn Stück zu schälen und sie in Würfel zu schneiden, die sie dann in die court-bouillon warf.
Jeanremy schaute Marianne zu und wartete ab.
Nach fünf Minuten schöpfte Marianne ihm etwas Sud auf den Probierteller. Als er gekostet hatte, sah er Marianne überrascht an.
»Die Stärke. Es ist nur die Stärke in den Kartoffeln«, murmelte sie verlegen. »In zwanzig Minuten nehmen wir sie wieder raus, und wenn dann noch zu viel Salz drin ist, dann werfen wir fünf gekochte Eier hinterher. Dann nichts mehr pfui. Pfui weg. Und ich auch.«
»Bien cuit, Madame Lance.« In ihm formte sich eine Idee.
»Was ist hier los?«
Die Frau in Schwarz besaß eine hallende Stimme und eine aufrechte Haltung, die Marianne spüren ließ, dass sie hier die Chefin war. Aufrecht wie eine Statue, ihr Gesicht verschrammt von der Witterung eines fünfundsechzigjährigen Lebens.
»Bonjour, Madame«, beeilte sich Marianne zu sagen. Fast hätte sie einen Knicks gemacht.
Geneviève Ecollier ignorierte sie und fixierte Jeanremy. Er erinnerte sie an ein Reh in Duldungsstarre.
»Jeanremy!« Ihre Stimme wie ein Schuss. Es kam Bewegung in den Vorderlauf, der den Probierteller hielt, von dem etwas Sud tropfte.
»Was, verdammt noch mal, du bretonischer Hinkefuchs, hast du jetzt schon wieder mit der Brühe angestellt?«
Sie forderte ihn auf, ihr auf den Probierteller den Sud aus Karotten, Schalotten, Lauch, Knoblauch, Sellerie, Kräutern, Wasser und Muscadet zu schöpfen. Am vergangenen Wochenende hatten sich schon wieder Gäste beschwert, und auch wenn Geneviève diese Pariser nicht ernst nahm, konnte sie es nicht leiden, wenn sie recht hatten. Geneviève hatte den thon à la concarnoise nach dem Abräumen probiert und ja: Die Sauce hätte sogar Äpfel von den Bäumen geschüttelt.
Die court-bouillon war die Seele der bretonischen Küche. In der Brühe gediehen Kaisergranaten und ertränkten sich Taschenkrebse mit Wonne; darin konnten enthäutete Enten vor sich hin simmern oder Gemüse. Mit jedem Durchgang wurde der Sud kräftiger, und er konnte über drei Tage verwendet werden. Er war die Basis für Saucen, und ein Schnapsglas voll gesiebter court-bouillon konnte aus einem mittelprächtigen Fischeintopf ein kleines Festmahl schaffen.
Solange eben diese Basis nicht zu salzig geriet, aber das hatte Perrig in den letzten Wochen in schöner Regelmäßigkeit hinbekommen. Die ganzen acht Liter court-bouillon konnte man über die Mole kippen und die Fische vergiften! Geneviève probierte den Sud.
Mon Dieu, gedankt sei allen guten Feen. Er hatte sich diesmal beherrschen können.
Jeanremy schaffte es knapp, den Probierteller aufzufangen, den ihm Madame Geneviève wie einen Diskus zugeschleudert hatte.
Dann erklärte er ihr, dass Madame Lance sie davor bewahrt hatte, heute nur steak frites servieren zu können.
»Sind Sie die Köchin, die sich hier vorstellen wollte?«, wandte sich Geneviève nun etwas freundlicher an Marianne. Bitte lass sie es sein, dachte Geneviève grollend, bitte.
Jeanremy antwortete für Marianne, als er bemerkte, dass sie wirklich nicht verstand.
»Ist sie nicht.«
»Ist sie nicht? Wer ist sie dann?«
Jeanremy lächelte Marianne zu. Etwas in ihrem Gesicht bat darum, gehen zu dürfen. Und etwas anderes, von dem sie vielleicht gar nicht wusste, dass es da war, wollte bleiben.
»Sie ist aus dem Meer gekommen.«
Madame Geneviève Ecollier betrachtete Marianne. Ihre Hände wirkten, als ob sie Arbeit gewohnt waren. Sie schien weder kokett zu sein noch sonderlich viel Wert darauf zu legen, sich herauszuputzen. Sie sah auch nicht weg, wenn man sie anschaute, wie die meisten Leute – etwas, das Geneviève Ecollier nicht
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