Die Mondspielerin: Roman (German Edition)
kaum dass sie und die Friseurin aus Pont-Aven sich zu Simon, Paul und Colette an den Tisch gesetzt hatten.
»In der Tat, hatte Madame Bouvet gesagt, in der Tat gibt diese Verrückte aus dem Wald ihren Katzen und Hunden bestes Fleisch – von chinesischem Porzellan!« Marieclaude ahmte die Bouvet so treffend nach, dass Colette in ihren Bellini prustete.
»Also, diese Bouvet ist der Inbegriff katholischer Kneifärsche.« Marieclaude kraulte ihren Schoßhund Loupine. Sie hatte eine gute Geschichte als Erste gehört und sie brühend heiß weitererzählt. Die Friseurin war zufrieden mit sich, vor allem mit ihrer Idee, die Geschichte ein wenig kreativ aufzupeppen und Emile Goichon als nackten Wilden hinter Madame Bouvet herlaufen zu lassen, mit der Meute von Hunden. »Fass, Madame Pompadour!«, habe er gebrüllt, und der Köter war dem Kneifarsch an die Schürze gegangen.
»Hast du Kneifarsch gesagt?«, fragte Colette die Friseurin.
»Sie hat Breitarsch gesagt«, insistierte Paul.
»Oder war’s nicht Weitarsch?«, meinte Simon.
»Mon primitif, was bitte sehr sind Kneifärsche?«, wiederholte Colette.
»Frag Paul«, sagte Simon, »der kennt sich aus.«
»Wo ist Yann? Der könnte uns ein paar Ärsche malen, und dann sehen wir es ja«, grinste Paul.
»Sprich nicht so über meinen Lieblingsmaler«, herrschte Colette ihn an. Sie plante eine große Ausstellung in Paris mit Yann Gamé. Das einzige Problem war, dass er davon nichts wusste. Er wollte davon nichts wissen – er malte ja lieber seine kleinen Fliesen, es war zum Verrücktwerden! Der Mann musste große Bilder malen! Aber vor der Größe schreckte er zurück. Oder hatte er einfach noch nicht sein Motiv, fehlte ihm eine Muse? Das Meer, eine Frau, eine Religion, manchem diente bereits ein Stück Gebäck, das sah man ja an Proust und seinen Madeleines.
»Ihr redet wie Teenager!«, schimpfte Marieclaude.
»Und du redest wie meine tote Großmutter«, schaltete sich Colette ein. »Wie geht es deiner Tochter, hat sie schon deinen Enkel auf die Welt gepresst?« Colette belud ihre Elfenbeinspitze mit der nächsten Gauloise, von der sie den Filter abbrach.
»Mein Gott! Gestern war ich noch so alt wie Claudine, heute werde ich Großmutter. Na ja, in zwei Monaten.«
»Hat sie dir gesagt, von wem sie die Ente im Ofen hat?« Colette blies einen Rauchkringel.
»Ich wollte ja in ihrem Tagebuch nachschauen. Aber ich hab das Schloss nicht aufbekommen«, schmollte Marieclaude.
Simon beobachtete Colette. Ihr Mund verriet Sinnlichkeit, ihr Stirnmosaik ihren Hang, zu zweifeln, aber von keiner hart erarbeiteten Überzeugung abzuweichen. Bei ihr hatte alles einen aristokratischen Platz im Gesicht. Sie war so schön.
»Also! Mon primitif, kennst du eine Hausperle, die Emile und Pascale zur Hand gehen könnte? Sein Parkinson wird nicht besser, und ihre … wie heißt das? Demenz? Wenn man alles vergisst? Die beiden vereinsamen da draußen im Wald.«
»Wieso, sie haben doch ihre Millionen von zugelaufenen dreibeinigen Hunden und einohrigen Katzen. Da ist man nicht einsam. Man bekommt sogar eine Legion Flöhe gratis dazu«, zirpte Marieclaude und kontrollierte den Sitz ihrer sorgfältig gelegten roten Löckchen.
»Und Wanzen«, ergänzte Paul.
»Und Läuse«, setzte Marieclaude nach.
»Die Goichons sind vielleicht verflucht worden«, wisperte Sidonie.
»Von dem Kneifarsch?«, fragte Simon.
»Geht das schon wieder los«, klagte Marieclaude.
»Wir sind alt. Wir dürfen das«, sagte Colette trocken.
»Ich bin nicht alt«, korrigierte die Friseurin spitz und richtete ihre Löckchen. »Ich habe nur etwas länger gelebt als andere.«
»Wisst ihr, was das Tragische an der höheren Lebenserwartung ist?«, fragte Paul auf einmal ernst. Alle sahen ihn erwartungsvoll an.
»Dass man länger Zeit hat, unglücklich zu werden.«
13
L aurine!« Geneviève Ecolliers Kinn stieß wie ein Bugspriet hervor. Die Tasse, die Jeanremy ihr gereicht hatte, zuckte in Mariannes Händen.
Die Serviererin stellte sich artig neben dem Küchentresen auf.
»Streck nicht so die Brust raus, Kind, es werden heute eine Menge kilhogs da sein. Irgendwann gehst du mit diesen gallischen Hähnen auf ihr Schiff, und im nächsten Jahr kennen sie dich nicht mehr.«
Laurine verschränkte die Arme vor ihrem Busen. Auf ihren Wangen erschienen zwei zartrosa Tupfer.
Laurine wurde ständig von einem der Pariser Jachtbesitzer eingeladen, auf seinem Schiff Champagner zu trinken. Sie wusste nicht, wie sie mehr als
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