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Die Mondspielerin: Roman (German Edition)

Die Mondspielerin: Roman (German Edition)

Titel: Die Mondspielerin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina George
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alles dieselbe Farbe; der Himmel, der am Horizont an das Wasser stieß, und das Land, auf das sie jetzt immer rascher zufuhren.
    Da unten, dachte sie. Da hatte ich doch hingewollt. Wieso habe ich es nicht getan? War ich nicht feige genug? Oder nicht mutig genug?
    Marianne fühlte sich von sich selbst verwirrt.
    Sie sah zu Simon, und in ihrem Gesicht spiegelten sich Angst und Zweifel wider.
    Der Fischer fragte sich, was diese Frau dort fürchtete. Sie war immer wachsam, als ob sie einen Schlag erwartete. Und gleichzeitig trank ihr Blick aus der Weite, die sie umfing; sie trank mit den Augen wie eine Verdurstende. Is’ schon gut, Mädel. Brauchst keine Angst vor mir haben.
    Simon mochte Menschen, die das Meer liebten.
    Er tat es ja auch. Oft hatte Simon Wochen auf See verbracht, weil die Rochen- und Kabeljaukutter von Concarneau aus bis in die Isländische See und nach Neufundland fuhren. Das musste man aushalten, nur Wasser und Himmel, wochenlang.
    Simon dachte an Colette. Sie war eine der wenigen Dinge, die er am Festland mochte. Er hatte der Galeristin aus Pont-Aven Blumen zum Geburtstag geklaut und würde sie ihr nachher im Ar Mor übergeben. Wenn er diese Meeresfee hier abgesetzt hatte – wer weiß, vielleicht war sie eine wandernde Seele auf dem Weg nach Avalon und hatte sich nur auf seine Gwen II verlaufen?
    Frauen. Es war so furchtbar schwierig mit ihnen. Sie waren wie das Meer. Unberechenbar.
    Er erinnerte sich an die Worte seines Vaters, als Simon sich über dieses rauhe, wilde, unberechenbare Meer beschwerte: »Lerne, es zu lieben, mein Sohn. Lerne, zu lieben, was du tust, ganz gleich, was, dann wirst du keine Probleme haben. Du wirst leiden, aber dann fühlst du, und wenn du fühlst, dann lebst du. Es braucht Schwierigkeiten, um zu leben, ohne sie bist du tot!«
    Die Schwierigkeit im Kleid vor ihm sah auf die See hinaus. Simon erkannte die Sehnsucht in Mariannes Blick, glühend, voller Weh nach Ferne.
    Simon winkte Marianne zu sich. Zögernd stand sie auf, und er holte sie ans Steuer, stellte sich hinter sie und half ihr behutsam beim Navigieren; sie hatten die Mündung des Aven hinter sich gelassen, der Hafen von Kerdruc kam immer näher.

11
    P aul fuhr nach Kerdruc; es war immer noch das Beste, am Hafen auszunüchtern und sich die Nacht vom Wind und von der Sonne aus dem Körper wringen zu lassen. Simon hatte ihm heute Morgen Kaffee, Milch und lauwarme galettes auf dem karstigen Küchentisch hinterlassen, daneben eine Flasche Père Magloire. Eines der Hühner war auf den Tisch gestiegen und brütete sein Ei aus. Trotzdem. Nach dem kurzen Schlaf auf Simons Küchensofa fühlte sich Paul wie rückwärts durch die Hecke gezogen. Vielleicht konnte er Simon überreden, ihm im Hofladen auszuhelfen. Seit Simon nicht mehr beruflich zur See fuhr, hatte er sein Fischerhaus in Kerbuan zu einem Minisupermarkt umgebaut und wohnte in der Küche, zusammen mit den Hühnern.
    Simon verkaufte gutgläubigen Touristen alles. Eisbienenhonig, zum Beispiel. Von winterfesten Bienen in den Pyrenäen gesammelt, von Blumen, die auf den Gletscherebenen blühten. Natürlich. Dass es sich um würzigen miel de sarrasin, Buchweizenhonig aus dem Ar Goat handelte, brauchten die Touristen ja nicht zu wissen. Oder Simons Idee mit den Menhir-Samen. Ein Papiertütchen Granitkrümel, die von irgendeiner Reparatur aus der Hauswand gerieselt waren, vorn drauf eine Zeichnung der Megalith-Felder von Carnac. »In den ersten paar Jahrhunderten wachsen Menhire sehr langsam«, erklärte Simon den schafstreuen Besuchern, aber es helfe, wenn sie die gute alte keltische Erde der Bretagne als Dünger benutzten. So verkaufte er ihnen zu den Steinbröckchen noch eine Handvoll Dreck aus seinem Garten dazu.
    Und das Beste an Simons Miniladen: Dort waren im Sommer viele Frauen, sie fanden alles »oh-so-neiz« und »niedlisch«. Sie trugen kurze Kleidchen und hofften alle ein bisschen, sich einen bretonischen Fischer zu angeln, um den Roman Salz auf unserer Haut nachzuspielen. Simon redete ungern mit all diesen Touristinnen, darunter viele arrogante Pariserinnen, und hielt schon gar nichts von Salzspielchen. Aber für Paul gab es kein besseres Mittel, von einer Frau geheilt zu werden, als eine andere Frau. Oder wenigstens so viele wie möglich davon auf einem Fleck zu versammeln.
    Paul parkte neben Simons zerbeultem Citroën, der mit der Schnauze zur Terrasse des Ar Mor stand, und nicht wie sonst zur Wasserseite. Als ob Simon nicht hatte riskieren wollen,

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