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Die Mondspielerin: Roman (German Edition)

Die Mondspielerin: Roman (German Edition)

Titel: Die Mondspielerin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina George
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hatte; sie war die Herrscherin über Wasser und Feuer gewesen. Und deswegen ließ sich auch Dahud nicht taufen, sonst hätte sie ihre Feenkräfte verloren.«
    »Wie wir! Wir sind auch nicht getauft!«, rief Lysette.
    Oje, oje, dachte Paul.
    »Die Stadt war durch Deiche und eiserne Tore vor dem Meer und seiner Flut geschützt. Nur König Gradlon hatte den Goldenen Schlüssel zu den Schleusentoren, und er trug ihn immer bei sich, damit niemand nachts die Tore öffnen und die Flut hereinlassen konnte. Kathedralen und goldene Häuser, silberne Türme und diamantene Dächer ließen die Stadt weit ins Land hineinschimmern. Jeder lebte wie ein König, und die Kinder mussten nie zur Schule …«
    Paul interpretierte den Rest der Geschichte von Ys sehr frei. Nur um eines war nicht herumzukommen: dass Dahud eines Nachts ihrem Vater den Goldenen Schlüssel von der Halskette stahl, um ihren Geliebten einzulassen, und dass dieser Idiot es war, der zu einer ungünstigen Zeit die Türen aufschloss und schuld an der Überflutung war.
    »König Gradlon sprengte dann auf seinem Pferd in den Wellen davon und schaffte es gerade noch, Dahud zu sich auf den Sattel zu ziehen. Doch das Meer forderte seinen Tribut: Es riss Dahud mit sich.«
    »Boah, wie gemein«, sagte Lysette.
    »Aber total«, vermeldete Oceane.
    »Machst du uns jetzt eine krampouezh, Nono? Mit Nutella?«
    »Ihr sollt alles haben, was ihr wollt, meine kleinen Feen.«
    Diese beiden waren die einzigen Frauen, denen er immer alles geben würde. Alles. Auch Crêpes, bis sie platzten.
    »Ich hasse es, wenn du den Kindern solche Geschichten erzählst. Du weißt doch, dass du nicht Bretonisch mit ihnen sprechen sollst!«, ertönte eine Stimme aus dem Haus.
    Paul schloss die Augen.
    »An hini n’eo ket bailh en e benn a zo bailh en e revr«, murmelte er: Wer nicht am Kopf gebrandmarkt ist, ist es am Hintern.
    Nolwenn nahm ihm rigoros seinen Lambig weg und bedeutete den Zwillingen, aufzustehen und sich bettfertig zu machen. Sie warf Paul seine Autoschlüssel zu. »Verfahr dich doch in irgendeinen Graben! Wär mir nur recht!«
    Lysette fing an zu weinen, ob Nono jetzt sterben müsse, und Oceane weinte aus schwesterlicher Solidarität gleich mit.
    »Jetzt sieh nur, was du wieder anrichtest«, fauchte Nolwenn.
    Pauls Stieftochter mochte ihn nicht. Oder nein, Nolwenn verabscheute ihn, das war ein nicht unwesentlicher Unterschied.
    Er mochte sie nicht. Verabscheuen wäre zu viel gewesen, immerhin hatte sie die Zwillinge bekommen, das Liebenswerteste an ihr. Ihre Mutter, Rozenn, war eine großartige Frau, ein Klasseweib, eine Wölfin. Doch in Nolwenns Augen hatte Paul zwei Makel: seine Vergangenheit als Fremdenlegionär und die Tatsache, dass er nicht ihr leiblicher Vater war. Beides war nicht zu ändern, und so änderte sich auch nichts zwischen ihnen.
    Paul und Rozenn hatten aus Rücksicht auf Nolwenn nie zusammen gewohnt; dennoch war er vierzehn Jahre mit Rozenn zusammen, zehn davon verheiratet. Gewesen. Dann war der Knabe gekommen.
    Was Rozenn nach der Scheidung, bei der Paul ihr nichts in den Weg gelegt hatte, getan hatte, war ihr hoch anzurechnen: Sie hatte dafür gesorgt, dass Paul die Zwillinge regelmäßig sah.
    Nolwenn hatte den praktischen Nutzen dieses Entgegenkommens rasch eingesehen: Paul war ein günstiger Babysitter. Sie hatte klare Regeln aufgestellt: keine bretonischen Geschichten, Lieder, Sprichworte, Wetterregeln. Die Mädchen waren Französinnen, basta. Am liebsten hätte sie die Schilder wieder, die Jahrzehnte in den Schulen hingen: Auf den Boden spucken und Bretonisch sprechen verboten. Wer es doch tat, bekam einen Holzschuh um den Hals gehängt.
    Als er die Mädchen ein letztes Mal für heute geherzt und die Tür hinter sich zugezogen hatte, zischte er wütend: »Hep brezhoneg Breizh ebet!« Ohne Bretonisch keine Bretagne! Und ohne Bretagne keine Heimat.
    Ma Doue, hatte er Durst!
    Die Handbremse ließ sich nur schwer lösen. Die salzig feuchte Luft hatte sie mal wieder anrosten lassen. Schließlich schaffte er es.
    Auf der Fahrt zurück nach Kerdruc sah Paul Marianne auf der gegenüberliegenden Straßenseite entlanggehen. Doch, er fand sie très sympa. Er kurbelte die Scheibe herunter.
    »Alors, vous sillonnez la Bretagne?« – Streunen Sie wieder mal in der Gegend herum?
    Sie antwortete nicht gleich, weil sie unversehens in ein Radrennen gerieten. Ältere Herren in neonfarbenen Trikots, die sich erst den Hügel hinaufkämpften und bei der Schussfahrt jovial

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