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Die Mondspielerin: Roman (German Edition)

Die Mondspielerin: Roman (German Edition)

Titel: Die Mondspielerin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina George
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1930er Jahren modern gewesen.
    »Kaffee?«, fragte sie.
    »Ich mach schon«, antwortete Marianne. Sie setzte Wasser in dem emaillierten Kessel auf und befüllte die Presskolbenkanne mit Kaffeepulver. Pascale wühlte in den Schränken und Schubladen herum. »Wo sind sie bloß?«, fragte sie ungeduldig und hielt Marianne dann einen Beutel Mehl entgegen.
    »Sind das die Dinger, aus denen man Kaffee trinkt?«
    »Nein.«
    »Und das?« Nun reckte Pascale ihr ein Glas Marmelade hin.
    »Ich befürchte, auch nicht.«
    »Wenn man da nicht seltsam wird. Ich finde einfach nichts wieder. Ich weiß ja nicht mal, was das da ist!« Sie deutete auf den leise brummenden Kühlschrank.
    Marianne erinnerte sich an die Zettel, die sie an ihrem ersten Arbeitstag bei Jeanremy in der Küche an die Möbel und Geräte geklebt hatte. Sie fand in der kühlen Speisekammer einen Bogen mit Marmeladenglas-Etiketten.
    Während Pascale an ihrem Kaffee nippte, beschriftete Marianne die Zettel und klebte sie an Schränke und Regalwände. Dann nahm sie sich die Speisekammer vor. Pascale beobachtete sie und las sorgfältig Mariannes Worte. Dann deutete sie auf die Honiggläser: »Miel! Ja?«
    »Perfekt.«
    »Und da ist der Zucker?«
    »Genau.«
    Marianne war überrumpelt, als Pascale sie stürmisch umarmte. Als sie sie wieder losließ, bemerkte Marianne Emile, der missmutig in der Küche stand und die Zettel an den Schränken, Töpfen und Maschinen betrachtete. Dann bohrte sich sein Blick aus dunklen Augen tief in Marianne.
    »Was wollen Sie hier«, fragte er in kehligem Bretonisch.
    Marianne sah hilflos von ihm zu Pascale.
    »Er freut sich sehr«, übersetzte diese rasch.
    Marianne glaubte ihr kein Wort. »Ich … ich wollte helfen.«
    Wieder übersetzte Pascale.
    Marianne senkte den Blick nicht. Sie spürte, dass sie sonst in der Achtung dieses verschlossenen Mannes verlieren würde. Die Zeit dehnte sich endlos. Nichts bewegte sich in Emiles Gesicht, er war so undurchdringlich wie ein Fels der urzeitlichen Klippen.
    »Sie sind Deutsche«, stellte er abfällig fest.
    Pascale übersetzte.
    »Sie sind unfreundlich«, erwiderte Marianne auf Französisch.
    Erst beschlossen seine Mundwinkel zu zucken. Dann zwinkerte Emile. Und schließlich glitt ein halbes Lächeln über sein Gesicht und erleuchtete es auf wundersame Weise für zwei, drei Sekunden.
    »Ich bin Bretone«, korrigierte er in etwas milderem Ton und wandte sich ruppig um.
    »Ich glaube, er mag Sie«, stellte Pascale fest. Und dann, nach einem Seufzen: »Nehmen Sie es ihm nicht übel. In unserer Generation sind die Deutschen nicht einfach nur Nachbarn aus dem Norden. Sie sind Besatzer gewesen. Sie haben unser Land gefressen.«
    Marianne nahm ihm nichts übel. Er erinnerte sie an ihren Vater. Dennoch hämmerte ihr Herz wie das eines Kaninchens in der Falle. Ihre eigene Courage hatte sie aus dem Hinterhalt überrascht.
    Pascale klatschte in die Hände. »Und was machen wir jetzt?«
    »Ich … ich muss wieder ins Ar Mor zurück. Meine Arbeit beginnt gleich. Es sind Sommerferien, und die Leute essen wie verrückt.«
    Pascales Gesicht sackte in sich zusammen.
    »Ach. Ich dachte … wir könnten …« Ihre Stimme zerrann.
    »Soll ich morgen wieder kommen?«, fragte Marianne sanft.
    »O ja! O bitte!« Pascale schmiegte sich in Mariannes Arme.
    »A demain, Mariann«, murmelte sie beglückt – bis morgen.

22
    Ü ber Mariannes Kopf schien eine kleine neue Glocke zu schlagen, und sie klang nach Mut und Ungeduld.
    Sie verbrachte schon den dritten Nachmittag bei Pascale, bevor ihre Abendschicht im Ar Mor begann – ohne dass Emile sie mit mehr als zwei, drei Worten bedachte –, und hatte angefangen, den verwilderten Garten in Ordnung zu bringen.
    Während sie nun beide in schmutzigen roten Overalls, die an Mechanikerkleidung aus Flugzeughangars erinnerten, das Unkraut herauszupften und in die Schubkarre warfen, erzählte Pascale Marianne in ihrem singenden Deutsch mehr über die Eigenheiten des Volkes am Ende der Welt.
    In der Nacht zuvor hatte einige Dörfer weiter ein Lughnasad stattgefunden, ein keltisches Erntefest mit Druiden-Convent.
    »Druiden? Es gibt hier noch Druiden?«
    »In der Bretagne wimmelt es davon! Bestimmt dreißigtausend. Sehr dionysische, und an dem Convent ging es um die Planung der samaine  – der Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November, wenn die Lebenden den Toten begegnen. Das will ja geplant sein.« Pascale strich sich übers Kinn, einige Erdkrümel blieben an ihrer Haut

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