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Die Mondspielerin: Roman (German Edition)

Die Mondspielerin: Roman (German Edition)

Titel: Die Mondspielerin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina George
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Taschentuch gereicht und erneut die Fahrertür geöffnet. »Bitte«, hatte er hervorgepresst. Dann war sie doch eingestiegen.
    Er hatte seine linke Hand auf ihre rechte über den Schaltknüppel gelegt, und wenn er drückte, trat sie die Kupplung, und er führte ihre Hand auf dem Hebel in den nächsten Gang.
    »Allez, allez! Mehr Gas!«
    Da machte der Jaguar einen Satz nach vorn. Sie bremste, die Kupplung sprang heraus, der Motor soff ab.
    »Nicht so!« Emile klatschte wütend in die Hände. »Encore.«
    Sie ließ den Motor wieder an, hoppelte aus dem Wald und auf die Dorfstraße von Kerdruc.
    »Madame, es gibt auch einen dritten Gang«, murrte Emile, »und einen vierten, noch mehr Gas, allez, allez!«
    Sie jagten mit hundert Sachen über die Landstraße Richtung Névez. Mit aufgerissenen Augen starrte Marianne auf den Asphalt. Er sah aus wie ein grauer Wasserfall, der unter den Rädern hinwegfloss. Unter ihren Achseln hatten sich kleine Rinnsale gebildet.
    Marianne trat das Gas durch.
    Emile schloss die Augen.
    Unter seinen wortlosen Gesten schafften sie es bis zum Supermarkt in Névez, wo Marianne schwungvoll zwei Parkplätze vereinnahmte. Ihre Hände lösten sich zitternd vom Lederlenkrad. »Caramba«, murmelte sie. Ihre Augen glühten.
    Emile lächelte, als er ausstieg, drehte sich jedoch rasch weg, bevor Marianne es sehen konnte. Er war noch nicht fertig mit ihr.
    Er stellte Marianne Laurent vor, einem vergnügten Mann hinter der voluminös bestückten Fleischtheke; murmelrunder Schädel, ein gewichster Schnurrbart, funkelnde Kastanienaugen und ein dünner Haarkranz.
    »Enchanté, Madame Mari-Ann«, sagte Laurent und reichte ihr zwinkernd seine Hand über die Theke hinweg.
    Als das erledigt war, nickte Emile Marianne zu, gab ihr erneut das Geld und den Zettel und setzte sich in die kleine Bar zwischen dem Parkplatz und der Tankstelle; er wartete, bis Marianne fertig war. Er hatte nicht vor, ihr beim Einkaufen zu helfen – wenn diese Frau auf eigenen Beinen stehen wollte, würde er sie nicht tragen!

    Nachdem sie nach Kerdruc zurückgekehrt waren und die Einkäufe in die Speisekammer und den Kühlschrank sortiert hatten, hob Marianne zu einer Dankesrede an.
    Emile unterbrach sie mit einer unwilligen Handbewegung.
    »Merci«, sagte sie trotzdem. »Für das … und das mit dem Wagen.«
    »E-keit ma vi en da sav, e kavi bazh d’en em harpañ«, sagte Emile Goichon leise zu Marianne, als ob er ihre Gedanken erriet. Solange du aufrecht gehen kannst, findest du einen Gehstock. Solange du Mut hast, wird man dir helfen.
    Marianne sah zu dem knorrigen Mann empor. Es war das erste Mal, dass er länger mit ihr sprach. Mehr noch: Emile lächelte sie voller Warmherzigkeit an.
    Pascale stolperte aus dem Schlafzimmer; sie trug einen von Emiles Pyjamas, darüber Gummistiefel. Sie beugte sich vor, um Emile zu küssen. Mit halbgeschlossenen Augen. Seufzend. Er liebte sie so sehr.
    »Wollen Sie sich immer noch umbringen, Mariann?«, fragte Emile dann, und Pascale hob erschrocken eine Hand vor den Mund, um den Schrei festzuhalten, der aus ihrer Kehle stoßen wollte.
    Marianne wurde blass. »Woher wissen Sie das?«
    Emile klopfte an sein Herz.
    »Warum sind Sie hierhergekommen, um zu sterben?«
    Er fragte so ruhig, als ob er sich nach ihren Plänen für das Abendessen erkundigen wollte.
    »Ich wollte das Meer sehen«, antwortete Marianne.
    »Das Meer …«, wiederholte Emile.
    Sein Blick kehrte sich in eine innere Ferne. »Das Meer birgt Aufruhr sowie tiefes Schweigen. Nichts verbindet es mit uns, doch sehnen wir uns danach, dass es unser Denken und Handeln versteht. Hat es Sie gewollt, das Meer?«
    »Ich wäre gern in ihm untergegangen«, sagte Marianne leise. »Es hätte alles zugedeckt. Erst wäre es über mich hinweggerauscht und hätte mich dann schon vergessen. So hätte es sein sollen. Ich habe den Tod gesucht.«
    »Aber dann?«, fragte Pascale angstvoll.
    »Dann kam mir das Leben dazwischen.«
    Als Marianne gerade rechtzeitig zur Abendschicht in der Auberge ankam, fand sie eine weiße Rose vor ihrer Tür. Sie roch zart nach Himbeeren. Daneben lag eine Postkarte, sie zeigte die Kapelle von Penmarc’h, die Marianne so sehr daran erinnert hatte, dass sie leben wollte.
    Yann.

27
    M anchmal fragte sie sich, ob sie es verdient hatte, so glücklich zu sein.
    Seit ihrem Ausflug sahen sich Marianne und Yann jeden Tag. Er kam zum Mittagessen ins Ar Mor, wartete, bis ihr Dienst beendet war, und verbrachte mit ihr den Nachmittag,

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