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Die Mondspielerin: Roman (German Edition)

Die Mondspielerin: Roman (German Edition)

Titel: Die Mondspielerin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina George
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aufhören würde. Keiner von ihnen hatte es über sich gebracht, Robert die Wahrheit zu sagen. Er ging zur Marine, war monatelang nicht da, herrliche Monate.
    Dann wurden sie entdeckt. An einem Tag mit herrischem, schneidendem Südwestwind.
    Robert kam drei Tage früher als erwartet nach Hause; das Schiff, auf dem er Offizier geworden war, musste früher aufs Dock. Er fand seine Braut und seinen älteren Bruder verkeilt auf dem Boden in Genevièves Küche in Trégunc. Sie bemerkten ihn nicht. Robert konnte lang genug zusehen, um zu begreifen, dass sie es nicht das erste Mal taten. Und auch, dass sie dabei fühlten, was er nie gekannt hatte, nie mit Geneviève erlebt hatte und nie mit ihr erleben würde.
    Er stieg über ihre verhakten Beine und öffnete den Kühlschrank, um sich einen Cidre einzuschenken.
    Und ab da hatte Alain es falsch gemacht.
    Er hatte Robert Geneviève lassen wollen, hatte ihn angefleht, gesagt, dass die Hochzeit in zehn Tagen stattfinden müsse. Und »das da«, er hatte auf den Boden der Küche gedeutet, »das da hört auf«.
    Geneviève hatte geschwiegen und Alain angesehen, während er seinen kleinen Bruder beschwor, er könne Geneviève nun ganz für sich haben.
    Geneviève war aufgestanden, nackt, wie sie war, und hatte Alain eine Ohrfeige gegeben. Und dann noch eine.
    Zu Robert hatte sie gezischt: »Es gibt keine Heirat.« Dann hatte sie ihre Kleider gepackt, ihre Schuhe geschnappt und war nackt in den Südwestwind hinausgerannt.
    Erst da hatte Alain begriffen, dass er ihre Liebe verraten hatte; mit seiner stupiden Absicht, alles ungeschehen machen zu wollen. Als es darauf ankam, hatte Alain sich der Schuld und der Angst gebeugt. Sie nicht – Geneviève war ihrer Liebe treu geblieben.

    Alain zog zwölf Jahre nach ihrem letzten Kuss auf dem Küchenboden in Rozbras ein. Seit dreiundzwanzig Jahren wohnte er auf der anderen Seite der Aven. Seit fünfunddreißig Jahren hatte ihm Geneviève seinen Verrat nicht vergeben.
    Alain sah zu Laurine; sie musste jetzt in dem Alter sein, in dem Geneviève gewesen war, als sie sich so bedingungslos liebten und dachten, sie hätten die Liebe neu erfunden.
    Er hoffte, dass Laurine einmal nicht auf einen so dummen Mann treffen würde, wie er es gewesen war.

    »Lieben Sie?«, fragte Alain Laurine.
    »Im Moment nicht«, gab sie zögernd zu. »Oder doch. Aber ich will das nicht. Nicht mehr.«
    »Ich bräuchte eine gute Servicekraft«, sagte Alain.
    »Kann ich gleich anfangen?«

36
    Z uerst war es nur der Geruch. Staub und Elektrizität. Dann jagten Windböen um Häuserecken und durch Türritzen, hoben die Tischdecken auf der Terrasse des Ar Mor an, Gläser fielen zu Boden und zersprangen. Es war kurz nach dreiundzwanzig Uhr.
    Die alten Bretonen hakten ihre Fensterläden fest und trieben das Vieh in den Stall; die Männer gingen um die Häuser und suchten nach losen Dingen, die davongeblasen werden konnten. Sie lehnten sich gegen den Wind, als stützten sie sich an ihm ab. Die Kinder und Katzen fürchteten sich, auch wenn sie sich nicht erinnern konnten, was vor zehn Jahren am Morgen des zweiten Weihnachtsfeiertags 1999 geschehen war, als ein Orkan über die Bretagne gezogen war und wie ein Verlierer seine Spielsteine vom Tisch fegte. Der schwerste Orkan seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Er hieß Lothar.
    Die Wolken hingen tief und schwarz, die ersten Regentropfen waren fest und schwer wie Blut.
    Jeanremy, Madame Geneviève Ecollier, Madame Gilbert und ihr Mann sowie Padrig und Marianne waren im Ar Mor.
    Jeanremy wagte nicht, Madame Gilbert anzusehen.
    »Sie sollten nicht mehr fahren«, sagte Madame Geneviève zu Madame und Monsieur Gilbert. Sie erhob die Stimme, um das Geräusch des Regens an den Scheiben zu übertönen.
    »Haben Sie noch eine Suite?«, fragte Monsieur Gilbert. Er war Ethnopsychologe und stolz darauf, Nationen auf die Couch zu legen. Dass Pariser Migranten so gern Autos anzündeten, sah er als Ausdruck ihrer kulturellen Depression. Madame Gilbert ließ den Rauch zwischen ihren rotgeschminkten Lippen herausschweben.
    Madame Geneviève lächelte. »Kingsize-Bett, Badewanne für zwei und ein Spiegel an der Zimmerdecke.«
    »Das wäre das Richtige für unseren Tag heute, oder, ma tigresse?«, fragte Monsieur Gilbert seine Frau, und sie nickte, lächelte und umarmte ihren Mann; dabei sah sie über seine Schultern hinweg Jeanremy in die Augen.
    Madame Geneviève schob ihnen einen Schlüssel hinüber.
    Ein gewaltiger Donnerschlag, gefolgt von

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