Die Mondspielerin: Roman (German Edition)
getrieben, nach Pont-Aven. Sie sehnte sich danach, sich in Yanns Arme zu flüchten.
Und doch. Ihn hatte sie am meisten verletzt; konnte sie etwa wirklich annehmen, er würde darüber hinweggehen? Nein, er würde sie abweisen, wie es jeder Mann von Verstand und Ehre tun würde.
Marianne lenkte die Vespa zu Colettes Galerie und wartete gespielt geduldig, bis sie eine Gruppe Touristen aus Hamburg zu Ende beraten hatte. Als sie gegangen waren, wendete Marianne das Schild an der Tür auf fermé, geschlossen.
Als Erstes stammelte Marianne ihre Entschuldigung hervor, doch Colette wischte sie mit der Spitze ihrer Zigarettenspitze weg; Mariannes Sorge war für sie so nichtig wie der Rauch, der durch die Fensterritzen davonzog. »Wir mögen Sie«, sagte die Galeristin. »Ist Ihnen diese Idee noch gar nicht gekommen?«
Marianne lächelte. Dann sprach sie die schwierigsten Worte, die sie je sprechen musste, und informierte Colette vom baldigen Tod ihrer Freundin Sidonie.
Colette sank auf ihren Stuhl hinter dem filigranen Sekretär. Nur am Zucken ihrer Schultern bemerkte Marianne, dass Colette weinte. Sie weinte um all die Jahre, die sie nicht mit Sidonie gelebt hatte, und sie weinte um die Kürze der Zeit, die jetzt nur noch vor ihr lag, um das Unnachholbare einzufangen.
In Marianne hatte die Wirkung des Cognacs nachgelassen; kurz wallte nüchterne Scham in ihr auf, dass sie es wagte, sich in andere Leben einzumischen.
»Merci«, hatte Colette mit tränenerstickter Stimme zu Marianne gesagt. »Merci. Sie hätte es mir nie gesagt. So ist sie. Sie wollte es anderen niemals schwermachen; nur sich selbst.«
Das Schild wurde an diesem Tag nicht mehr auf ouvert geändert.
Und auch nicht in den folgenden Wochen und Monaten.
38
G roße Seelen erkannte man daran, dass sie die Fehler der anderen nicht gegen sie verwendeten.
Pascale ging mit ausgebreiteten Armen auf Marianne zu, als diese von der Vespa stieg.
»Oje!«, rief Pascale. »Dieser Mann im Fernsehen! Hoffentlich bleibt er da drin und kommt nicht heraus« und schloss Marianne in die Arme. »Emile sagte, er fände ihn schleimig«, flüsterte Pascale Marianne ins Ohr.
Ihr Mann nickte nur kurz, als Marianne die Bibliothek betrat. Dann reichte er ihr den Einkaufszettel.
Als sie anhob, ihre zurechtgelegte Entschuldigung zu formulieren, hob Emile warnend eine Hand.
»Sie sind nicht dumm, Mariann Lance. Hören Sie auf, so zu tun. Nicht Sie haben ihn verraten. Er hat Sie verraten. Er hätte Sie gehen lassen müssen und in Ruhe lassen sollen, anstatt Sie so vor einer ganzen Nation bloßzustellen. Geht das in Ihren Sturschädel?«
So habe ich es noch nie gesehen.
»Ein Mann, der liebt, macht sich barfuß durch den Kongo auf die Suche nach seiner Frau. Aber er stellt sich nicht wie ein dämlicher Gockel vor eine Kamera und fängt an zu jammern.«
Er wollte noch sagen, dass der Kerl sich besser ein Paar Hoden besorgen sollte, unterließ es aber. Gegenüber Damen über Genitalien zu reden gehörte sich nicht. Stattdessen gab er ihr Zettel und Schlüssel.
Im Intermarché fiel es Marianne nicht sofort auf. Erst als Laurent sie mit vertraulichem Raunen fragte, ob er ihr künftig »Spezialitäten« besorgen sollte, wurde Marianne hellhörig.
»Herzen von Tieren vielleicht?« Der kleine dicke Mann mit dem schwarzen Schnurrbart beugte sich ihr vertraulich zu.
»Hirschherzen, Stierherzen, auch Hundeherzen, wenn Sie die brauchen … oder ein paar Hühnerknochen?«
Sie spürte seine Enttäuschung, als Marianne nur die Filets für die Hunde und Gulaschstücke bestellte, aus denen sie den Goichons einen deutschen Eintopf kochen wollte.
Als Marianne in der Obstabteilung an den Melonen roch, dann die Spargelstangen aus Griechenland aneinanderrieb, um am Quietschen zu erkennen, wie frisch sie waren, kam eine der Verkäuferinnen auf sie zu.
»Brauchen Sie das für … ein Potenzmittel?«, fragte sie. In ihrem Gesicht eine Mischung aus Ehrfurcht, Scheu und Hoffnung.
Der Einkauf wurde zu einem Spießrutenlauf, den Marianne nicht verstand. Madame Camus hinter der Käsetheke, Mademoiselle Bruno an der Kasse, sogar die marokkanische Putzfrau Amélie warfen ihr Fragen zu. »Werde ich am Wochenende die Liebe finden? Ist er der Richtige? Soll ich etwa alles tun, was mein Mann im Schlafzimmer verlangt?«
Marianne entschloss sich, einige der Redewendungen anzubringen, die sie bei Pascale gelernt hatte: »Eine Handvoll Liebe ist besser als ein Ofen voll Brot. Wenn man seine Nase
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