Die Mondspielerin: Roman (German Edition)
Mal: so verstörend schön, dass der Rest der Welt kaum zu ertragen war.
Marianne packte den sperrigen Koffer wieder aus, ging zu Jeanremy in die Küche, band sich ihre Schürze um und begann, Teig für Crêpes und galettes anzurühren. So als wäre nichts geschehen.
Jeanremy hatte sie erst mit offenem Mund und dann mit einem unendlichen Strahlen angeschaut.
Als Geneviève die Küche betrat, sah sie prüfend zu Marianne hin.
»Bienvenue … encore«, sagte Geneviève Ecollier. »Sie sind weit gelaufen, um zu uns ans Ende der Welt zu kommen«, stellte sie fest.
»Und genau hier will ich auch bleiben«, antwortete Marianne.
»Ausgezeichnet. Champagner?«
Marianne nickte. Als sie anstießen, sagte sie: »Man kann sein halbes Leben damit verschwenden, immer nur den Mann anzusehen, der einem am meisten Schmerzen zugefügt hat.«
»Das ist typisch weiblich«, sagte die Ecollier nach einer Weile. »Das halten wir für tapfer.«
»Das Leben des anderen wichtig zu nehmen statt das eigene?«
»Ja. Das ist ein Reflex. Wie ein zwölfjähriges Mädchen, das genau an den Platz in der Familie gestellt wird, wo es am wenigsten stört, rechtzeitig dem Vater aufdeckt und abräumt und bescheiden darauf wartet, geliebt zu werden, wenn es nur brav genug ist.«
»Ich halte das für dumm.«
»Aber auch erst in letzter Zeit, oder? Vorher waren Sie auch dumm und haben es nicht mal bemerkt. Da war alles andere heiliger als Sie, und Ihre eigenen Sehnsüchte waren am unheiligsten.«
Marianne dachte an Lothar und nickte.
»Sie haben sich verändert«, unterbrach Madame Geneviève Mariannes Gedanken.
»Menschen ändern sich nie!«, erwiderte Marianne heftig. »Wir vergessen uns. Und wenn wir uns wiederentdecken, denken wir nur, dass wir uns geändert haben. Aber das stimmt nicht. Träume kann man nicht ändern, nur abtöten. Und manche von uns sind sehr erfolgreiche Mörder.«
»Haben Sie Ihre Träume wiederbelebt, Madame Lance?«
»Ich suche noch den Rest von meinem Traum«, flüsterte Marianne. Und den Teil von mir, der es wagt, ihn sich auch zu nehmen. O Yann, verzeih mir. Verzeih mir.
»Wo ist eigentlich Laurine?«, fragte sie dann, um Fassung bemüht.
»Sie hat ein Vorstellungsgespräch. In Rozbras.«
»Was? Aber wieso?«
Geneviève presste die Lippen zusammen und verließ die Küche. Marianne fand Jeanremy draußen vor der Hintertür. Er rauchte einen Joint. Sie baute sich vor ihm auf.
»Was. Hast. Du. Gemacht?« Bei jedem Wort war sie zorniger geworden.
Jeanremy blies einen Rauchkringel in die Luft.
»Mit einer anderen Frau geschlafen«, sagte er betont lässig. »Ist besser so. Ich bin eben nicht für eine Frau gemacht. Schon gar nicht für eine wie Laurine.«
Marianne holte aus und gab dem jungen Koch eine klatschende Ohrfeige, so dass ihm der Joint aus der Hand flog.
Sein Gesicht verzog sich vor unterdrückter Wut. Dann hob er den Joint wieder auf und versteckte seinen Unmut hinter einer undurchdringlichen Miene.
»Yann Gamé sah auch nicht gerade glücklich aus, vorhin.«
Marianne setzte sich matt neben Jeanremy auf die Steinstufen.
»Wissen Sie, was Männer machen, wenn sie leiden, Mariann? Sie trinken. Sie schlafen mit anderen Frauen, wenn sie das Glück haben, vor Kummer trotzdem noch einen hochzukriegen. Und dann warten sie darauf, dass es besser wird.«
Jeanremy reichte Marianne den Joint. Sie zog einmal kurz daran. Und dann noch einmal länger.
»Merde«, sagte sie mutlos.
»Ya«, bestätigte Jeanremy.
35
D ie Anstrengung, der Zorn auf Jeanremy, ihr wundes Herz – all das zeichnete sich als glühende Röte in Laurines Gesicht ab. Als sie Alain Poitier das erstklassige Zeugnis übergab, das ihr Geneviève mit unbewegtem Gesicht ausgehändigt hatte, senkte die Kellnerin den Blick.
Als Jeanremy sich verraten hatte, fühlte sie sich, als hätte sie einen Unfall gehabt, der ihr die Seele amputiert hatte. Und es hörte nicht auf, zu bluten.
Alain beobachtete sie. »Mademoiselle … Sie arbeiten doch seit Jahren im Ar Mor? «
»Das wissen Sie doch, Monsieur Poitier«, antwortete Laurine. »Und ich weiß, Ihnen gehört das Restaurant in Rozbras. Sie sind der Konkurrent von Madame Ecollier. Sie machen ihr das Leben schwer. Aber ich wollte dort weg, und nun bin ich hier.«
Alain war verblüfft über Laurines schlichte Ehrlichkeit.
»Sagt … sagt sie das so? Dass ich ihr das Leben schwermache?«
»Sie sagt gar nichts über Sie, Monsieur. Nichts Schlechtes und nichts Gutes. Nichts.«
Alain
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