Die Mondspielerin: Roman (German Edition)
zusammendrückt, kommt Milch heraus. Du musst ja nicht das Meer austrinken.« Stets stießen ihre Erwiderungen auf Nicken und dankbares Lächeln.
All das erzählte sie Pascale später mit einem Lachen, während sie das Gulasch in Paprika marinierte.
Pascale lachte nicht mit.
»Ich dachte mir, dass es bald dazu kommen würde. Aber nicht so bald. Als die Leute Sie im Fernsehen gesehen haben, muss bei ihnen irgendwas peng im Kopf gemacht haben.«
»Peng? Was denn, peng?«
»Laurent hat Ihnen Herzen angeboten? Das ist so typisch. Wer weiß, dann hätte er als Gegenleistung erbitten können, dass Sie sein neues Auto weihen. Oder seinen Kindern einen Schulzauber mitgeben. Oder ihm einen Trunk brauen könnten, mit dem es möglich ist, seine Frau zu pikanten Ketzereien gegen das Keusche zu verführen.«
»Ich verstehe nicht.«
»Ich auch nicht, aber es scheint, als ob die Leute hier hoffen, dass du eine gute Hexe bist.« Marianne bemerkte, dass Pascale sie zum ersten Mal geduzt hatte. »Sie werden anfangen, dir auf den Märkten nachzusehen, oder dich kurz berühren wollen.«
»Was? Aber … ich habe doch nichts getan!«
»Oh, aber doch. Du kommst aus dem Ausland. Du lebst allein. Du warst im Fernsehen. Fernsehen ist die Magie, gegen die keine von uns ankommt. Für sie bist du eine Frau, die sich den Göttinnen des Meeres und der Liebe geweiht hat.«
»Oh. Ich. Und wieso … darauf? Warum bin ich nicht einfach eine … Gartenhexe?«
»Weil wir Freundinnen sind. Sie denken, ich lehre dich, wie ich zu sein. Und ich habe mich auf die Liebe spezialisiert. Aber wir beide wissen, dass deine Kräfte woanders liegen, nicht wahr?«
»Nicht wahr.«
»Mariann. Deine Hände, Mariann. Wusstest du nicht, dass du eine Heilerin bist? Was glaubst du, warum du dieses Mal da trägst?«
Marianne sah auf ihre Finger, die gerade dabei waren, den Teig für die Spätzle mit Schmorzwiebeln und geriebenem Käse zu kneten.
»Ich kenne mich nicht sehr gut mit mir aus«, erklärte sie zaghaft.
»Manchmal erkennen uns andere, bevor wir uns selbst sehen.« Pascale legte sanft ihre Finger auf Mariannes Wange.
»Yann hat dich erkannt. Wusstest du, dass er Farben schmecken und hören kann? Er ist Synästhetiker. Er nimmt Dinge wahr, die niemand von uns sehen oder fühlen kann. Und dann malt er sie. Du hast es auf der Fliese gesehen. Du hast verstanden, was er sah, ohne dass du es wusstest. Ihr fühlt einer wie der andere.«
»Ich habe ihn verletzt.«
»Ich weiß, Mariann. Ich weiß.«
Die beiden Frauen drehten einander nun den Rücken zu.
»Wann wirst du zu ihm gehen?«
»Wenn mich die Details nicht mehr so nervös machen«, wollte Marianne sagen, aber dann hätte sie Pascale auch alles andere erklären müssen. Warum sie zum Beispiel nicht sagen konnte: Yann, ich liebe dich.
Nicht weil sie es nicht tat. Die Frage, ob sie ihn liebte, war leicht zu beantworten: Ja!
Es gab in der Liebe nur Ja oder Nein. Kein Ich-weiß-nicht. Kein Vielleicht. Das waren alles nur getarnte Neins.
Aber: »Ich liebe dich« auszusprechen – das vermochte Marianne nicht.
Es hörte sich nach einem Satz an, der unweigerlich Entscheidungen nach sich zog. Wie soll es weitergehen, ziehen wir zu mir, zu dir, nehmen wir uns ein Haus, fahren wir im Winter nach Rom, und wo kommen die Untertassen hin?
Es hörte sich nach einer Variante dessen an, was Marianne hinter sich gelassen hatte, als sie in Concarneau nicht mit Lothar gesprochen hatte. Sie mochte die Frau, die sie zu werden glaubte. Die aus ihrem Versteck kam. Die in einem eigenen Zimmer schlief und entschied, wann sie was tun wollte. Die nicht plötzlich damit anfing, Yanns benutzte Handtücher gerade hinzuhängen oder ein Hemd von ihm aufzulesen, während er der Kunst nachging oder nicht mal die Teetasse in die Spüle stellte. Die sich nicht drei Tage vorher Gedanken machte, was es am Mittwoch zu essen gab.
Solange keiner sagte: »Ich liebe dich«, unterlag keiner einer Pflicht, einer Routine. Du und ich für immer, jetzt zu den Details. Verpflichtung aus Liebe war in jeder Hinsicht das Letzte, was Marianne wollte.
Diese verdammten Details! Sie kannte zu viele und ahnte, sie würde nicht gut genug aufpassen und sich zu einer Frau von … machen, Teil eines Wir werden, das nur vom Mann bestimmt wurde. Diesen Teil konnte sie nicht besonders an sich leiden.
Aber Yann ist nicht Lothar. Nein. Yann war nicht Lothar.
Aber sie war immer noch zu sehr Marianne. Sie hatte Angst, dass sie in der Freiheit nicht
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