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Die Mondspielerin: Roman (German Edition)

Die Mondspielerin: Roman (German Edition)

Titel: Die Mondspielerin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina George
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lange würde überleben können.

    Als sie drei Stunden später in die Auberge zurückkehrte, wartete ein bekanntes, liebgewonnenes Gesicht auf sie; zusammen mit Geneviève Ecollier, wie diese mit einem Glas Champagner in der Hand und Mariannes Postkarte, die sie am Tag ihres vermeintlichen Selbstmordes abgeschickt hatte und mit der sich Grete Köster nun warme Abendluft zufächelte.
    »Wäre zu schade, wenn der Tod und ein Friseurtermin im Jenseits schon alles gewesen wäre«, sagte Mariannes Ex-Nachbarin, und die Frauen umarmten einander herzlich.
    Dann schob Grete Köster Marianne ein Stück von sich fort.
    »Verflucht, sehen Sie gut aus. Wie heißt der Mann?«

39
    S ie nahm ihre morgendlichen Ausflüge wieder auf. Doch diesmal mit der Vespa. Jeden Morgen fuhr Marianne an den Plage Tahiti, um im Schein des beginnenden Sonnenaufgangs Akkordeon zu üben.
    Doch etwas in ihr war immer unruhig. Immer wachsam. Sie hörte auf jedes fremde Motorengeräusch und rechnete damit, Lothar würde auf einmal auftauchen und sie zwingen, mit ihm nach Celle zu gehen.
    Die Sonne ging auf und brachte das Meer zum Funkeln. Marianne stand da, das Akkordeon umarmt, und sah auf das tanzende Lichtermeer.
    Nie wieder. Nie wieder ohne das alles.
    Sie erinnerte sich, was ihr Pascale eingepaukt hatte, und flüsterte die Worte nach: »Est-ce que je rêve seulement de toi, ou c’est déjà plus qu’un rêve?« Träume ich von dir, oder ist es schon mehr als ein Traum?
    Du wachst endlich auf, wisperte die Meeresstimme in ihr.
    Die Wellen erschienen ihr verwischt, als ob einige der Nebel Avalons über die Wogen gewandert waren; auf dem Rückweg zum Land würden sie die Geschichten erzählen, die sie unterwegs aufgelesen hatten.
    Liebe ich Yann auf dieselbe Weise, wie er mich zu lieben scheint?
    Das Meer antwortete, doch verstand Marianne diesmal seine Sprache nicht. Es war zu groß, und sie fühlte sich klein und unwichtig.
    Marianne liebte Yanns Hände und seine Jungenhaftigkeit, die er ausstrahlte, wenn er malte. Sie liebte seine Augen, in denen sie, wäre sie eine Seefahrerin, die salzigen Tiefen, die Strudel und Ströme, Unruhen und Gezeiten lesen konnte. Sie liebte, dass er sich niemals sperrte, wenn sie sich nicht einig waren (was selten vorkam), und sie liebte ihn für diese bedingungslose Aufmerksamkeit, die er ihr entgegenbrachte. Und das, was sie taten, wenn sie allein waren … Er hatte die Begabung, dass sie sich unter seinen Blicken schön, erotisch und begehrenswert fand; hinweg fegte er mit seinen Berührungen die Lächerlichkeiten des Alters, die Sorgen um nicht glatt gebügeltes Fleisch und die Falten, in denen die Schatten der Jahre hockten. Und sein …
    Sag’s schon. Feigling. Hast die Worte der körperlichen Liebe vorher niemals ausgesprochen noch verlangt noch gefordert. Sag schon, wie das Ding heißt!
    Schwanz.
    Bitte sehr. Ging doch. Und, was macht er mit seinem …?
    Schwanz! Ja, der Schwanz eines Franzosen, nein, eines Bretonen, um jenen Tick zu groß, dass jede Bewegung zwischen Schönheit und Schmerz lag, die Eltern der Lust. Herz, Schwanz, Blick, alles wand sich ihr entgegen, wenn Yann sie ansah. Und das liebte Marianne auch: dass sie gewollt wurde. Als Marianne. Als Frau.
    Auf der Suche nach dem Tod habe ich das Leben gefunden.
    Wie viele Umwege, Nebenwege und definitive Abwege eine Frau doch gehen konnte, bis sie ihren eigenen Weg findet – und nur weil sie sich zu früh anpasst, zu früh auf die Pfade des Sittenkodexes einschwenkt, von Tattergreisen verteidigt und von ihren Handlangerinnen, den Müttern, die ihren Töchtern nur das Bravste wünschen. Und die dann eine immense Zeit damit vertut, sich selbst zu bremsen, um in die Konventionen zu passen! Und wie wenig Zeit doch bleibt, das Schicksal zu korrigieren.
    Marianne hatte plötzlich Angst, dass sie den Mut verlieren würde, ihren Weg weiterzusuchen.
    Und doch. Das selbstbestimmte Frauenleben ist kein Lied. Es ist ein Schrei, ein Kampf, es ist ein tägliches Stemmen gegen die Leichtigkeit, sich zu fügen. Ich hatte mich fügen können. Weniger gefährlich leben, nichts wagen, nicht scheitern.
    Als Marianne die Weite des Atlantiks in sich aufnahm, erinnerte sie sich, wie sie sich auf der Brücke in Paris gefühlt hatte. Als das Leben vom Pont Neuf aus betrachtet mehr wie ein Rinnsal aussah, alle Chancen vertrocknet, alle Möglichkeiten versandet.
    Das war falsch. Es stimmte nicht mehr. Je länger eine Frau lebte, desto mehr begann sie, zu entdecken –

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