Die Monster-Strige
wie ich. Das werde ich ausnutzen. Ich will die Herrschaft hier oben. Ich will so etwas wie ein König sein. Ich will alles, vor allen Dingen will ich die Menschen beherrschen. Ich bin die letzte Strige, die so groß und mächtig ist. Alle anderen sind vergangen, während ich mich auf die Reise gemacht habe. Es ist alles anders geworden. Ich brauche ein Volk, ich brauche die Macht über Menschen.«
»Was haben Sie dir getan?«
»Nichts.«
»Dann hast du keinen Grund…«
»Doch, den habe ich.« Der mächtige Kopf geriet in nickende Bewegungen. »Wie ich dir sagte, ich bin die letzte der Monster-Strigen. Alle anderen sind vergangen, aber ich werde mir hier eine neue Welt aufbauen. Ich will die Menschen in meinen Bann bekommen. Sie sollen ihren anderen Göttern abschwören und nur noch mir dienen. Alles andere will ich nicht, und du wirst mir den Weg zu ihnen weisen.«
»Was soll ich dabei tun?«
»Sage ihnen Bescheid.«
»Was soll ich?«
»Zu ihnen gehen. Sie warnen oder ihnen erklären, daß für sie bald eine neue Zeit anbricht. Sage ihnen, daß die Strigen mächtiger, viel mächtiger sind, als sie es sich je haben vorstellen können. Das alles wirst du ihnen erklären müssen. Bereite sie auf mich vor, denn sobald die Sonne gesunken ist, werde ich zurückkommen und meine neue Heimat in Besitz nehmen. Das wollte ich dir sagen und dich nicht nur an die damalige Lebensrettung erinnern.«
Der Eiserne schwieg. Er war im Moment durcheinander. Er wußte nicht, wie er sich diesem Wahnsinnigen entziehen konnte. Das war einfach nicht normal, selbst für den Eisernen nicht, der einiges gewohnt war. Die Monster-Strige wollte sich zum König über die Menschen hochschwingen und sich auf einen mächtigen Thron setzen. Das Tier sollte wieder die Oberhand gewinnen und den Menschen unterdrücken.
Der Engel sagte nichts.
Die Strige aber nickte ihm abermals zu. In ihren Augen stand wieder dieses kalte Licht. Unterschiedliche Farben leuchteten dem Eisernen entgegen.
Er dachte darüber nach, ob er sein Schwert ziehen und es versuchen sollte, aber der monströse Vogel schaffte es, seine Gedanken zu lesen.
Plötzlich flirrte seine Warnung durch den Kopf des Eisernen. »Tue es nicht. Wenn du falsch spielst, bist du erstens undankbar und außerdem mein Todfeind. Dann werde ich dich vernichten müssen und werde das nachholen, was vor langer Zeit versäumt wurde.« Er brach den Kontakt ab. Sein Körper plusterte sich auf, so daß er für einen Moment wie ein gewaltiges Ei wirkte, das auf zwei Beinen stand. Dann aber drückte er seine Schwingen zur Seite. Sie bewegten sich plötzlich auf und ab.
Er stieg in die Höhe, und der Eiserne Engel ließ ihn fliegen. Für die Zukunft aber sah es düster aus…
***
Wir hatten Sven Aklund erklärt, uns im Ort umschauen zu wollen, und daran hatten wir uns auch gehalten. Fremde war man hier auch gewöhnt, denn es gab viele naturliebende Rucksack-Touristen, die das Land durchstreiften, und die Menschen standen den Fremden positiv gegenüber. Man lächelte uns zu, grüßte immer wieder, und einmal wurden wir von einer älteren Frau gefragt, woher wir kamen. Sie sprach uns in Englisch an, und wir erklärten ihr, daß wir aus London stammten.
»Oh, eine schöne Stadt«, sagte die Frau und strich ihre grauen Haare zurück.
»Sie kennen London?«
»Ja, ich war vor Jahren dort. Ich bin Lehrerin gewesen und habe dort unterrichtet. Ich war an der Botschaft, deshalb ist mir der Trubel dort nicht fremd.«
Ich nickte ihr lächelnd zu und schaute dabei in ein faltenreiches Gesicht.
Im Gegensatz dazu standen ihre Augen, die so blau und klar waren wie die eines jungen Menschen. Darin zeigte sich keine Spur von Alter, und ich wurde an Sarah Goldwyn erinnert. Wir standen vor einem Haus, dessen Zaun hellblau gestrichen worden war. Man konnte die frische Farbe noch riechen. Hinter den Fenstern des Hauses hingen helle Gardinen, die im Wind wehten.
»Aber jetzt leben Sie schon lange hier, nicht wahr?« fragte ich.
Die Frau schaute zwei kleinen Mädchen zu, die sich in der Nähe aufhielten und sich mit Seilspringen die Zeit vertrieben. Ein altes Spiel, aber es machte ihnen Spaß. »Ja, ich lebe seit Jahren hier bei meiner Familie, und wenn ich ehrlich sein soll, dann treibt mich nichts zurück in die Hektik der Stadt. Hier ist es wunderbar.« Ihre Stimme bekam einen schwärmerischen Klang. »Zwar erleben wir die Jahreszeiten nicht so wie im Süden, hier ist alles kürzer, aber wir erleben sie intensiver,
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