Die Monster-Strige
die Schultern.
»Wobei ich nicht genau weiß, was schlimmer ist. Wir haben ihn erlebt, und der Eiserne muß dieser Strige dankbar sein. Einem monströsen Vogel, einem Killer.« Ich schüttelte den Kopf. »Bist du ihm dankbar?«
Unser Freund aus Atlantis schaute gegen das schnell fließende Wasser, als könnte er dort eine Erklärung hervorlesen. »Ich müßte ihm wirklich dankbar sein.«
»Und ihm auch zur Seite stehen bei seinen Vernichtungsplänen – oder?«
»So sieht er es.«
»Hast du dich entschieden, was du tun willst?«
Die mächtige Gestalt hob die Schultern und wirkte plötzlich wie ein Kind, das in der Klemme steckte. »Ich weiß es nicht, Freunde. Ich weiß wirklich nicht, was ich tun soll.«
»Du lebst jetzt und nicht damals.«
»Das stimmt.«
»Also mußt du dich nach den jetzigen Gegebenheiten richten, wie ich das sehe.«
»Dann ist er mein Feind.«
»So sieht es aus!« bestätigte auch Suko.
»Aber ihm verdanke ich, daß ich überhaupt noch existiere. Die schwarzen Skelette hätten mich damals töten können, und unser Todfeind hätte triumphiert.«
»Es ist nicht so gekommen«, sagte ich. »Im Gegensatz zu dir hat sich die Strige nicht geändert. Sie hat all die Zeiten überlebt. Sie war auf der Wanderschaft. Vielleicht hat sie ein Ziel gesucht, einen Artgenossen, wie auch immer, aber sie fand keinen. Es ging nicht, sie war allein auch in dieser Zeit, und sie hat sich wieder an dich erinnert, und sie hat es dabei geschafft, die Welt zwischen den Flammenden Steinen und der unserigen aufzureißen. Das darfst du nicht vergessen, denn im Prinzip ist sie auch ein Feind deiner und unserer Freunde Kara und Myxin, die sich ebenfalls auf dich verlassen, die dir vertrauen, deshalb solltest du anders über die Monster-Strige denken.«
Der Eiserne schaute mich nachdenklich an. In seinen Augen bewegte sich nichts, aber er machte auf mich weiterhin diesen hilflosen Eindruck.
Dann bewegte er seine Lippen. »Alles ist nicht gut für mich und für euch gelaufen, aber ich werde nicht aufgeben, denn ich sehe trotzdem noch eine Chance.«
»Welche?«
»Wenn ich ihm gegenüberstehe, werde ich versuchen, ihn zu überreden, es nicht zu tun.«
»Das Töten?« fragte Suko.
»Ja.«
»Nein, nein.« Der Inspektor schüttelte den Kopf. »Du darfst nicht vergessen, daß er schon einmal getötet hat. Er hat diese Grenze überschritten, und es macht ihm nichts aus, auch weitere Menschen zu vernichten, wenn sie ihn nicht anerkennen. Du hast uns selbst von seinen Motiven erzählt. Er will endlich etwas sein. Er hat sich lange genug allein und ohne Freunde durchgeschlagen. Das ist vorbei. Er suchte eine Heimat, und er ist dorthin zurückgekehrt, wo er herkam. Nur hat er hier andere Verhältnisse vorgefunden. Damals gab es noch keine Menschen, heute ist das etwas anderes, denn es sind Millionen von Jahren vergangen.«
Der Eiserne schwieg.
Suko übernahm wieder das Wort.
»Damals ging es ums Überleben. Das ist heute nicht anders, aber die Methoden haben sich verändert. Er wird es weiterhin mit Mord und Totschlag versuchen, er wird weiterhin das Blut Unschuldiger fließen lassen, und das müssen wir einfach verhindern. Auch du, so sehr ich dich verstehen kann, wo du ihm dein Leben verdankst.«
Es waren Worte gewesen, die den Eisernen Engel nicht unberührt gelassen hatten. Dennoch war er nicht bereit, mit Gewalt gegen ihn vorzugehen. »Ich kann es noch einmal versuchen, wenn ich ihn sehe. Ich werde mit ihm reden. Ist das auch in eurem Sinne?«
»Gut, wie du willst.«
»Zuvor müssen wir ihn noch finden«, sagte Suko. Er kletterte den Bachhang hoch und blieb neben der Straße stehen, den Kopf so gedreht, daß er zum Dorf hinschauen konnte. Dort tat sich nichts.
Es lag friedlich da wie immer, überragt vom Turm der Kirche. Mittlerweile war es Abend geworden, aber eine richtige Dämmerung und die darauf folgende Finsternis würde es um diese Zeit des Mittsommers nicht geben.
Auf der Straße rührte sich ebenfalls nichts. Alles lag in einer beinahe spannungsgeladenen Stille.
Was tun?
Wichtig war, daß wir einen Platz fanden, von dem aus ein guter Überblick gestattet war. Wenn die Monster-Strige kam, dann würde sie sofort den Ort überfallen.
Ich wollte mit meinen Freunden darüber sprechen, als sich einiges radikal änderte.
Unheimlich klingende und zugleich dumpfe Laute drangen an unsere Ohren. Wir hörten ein Krachen und Splittern und standen plötzlich wie auf dem Sprung.
Gedanken rasten durch unsere
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