Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Monster von Templeton

Die Monster von Templeton

Titel: Die Monster von Templeton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Groff
Vom Netzwerk:
Berg halten, Vi sah es und brach in Lachen aus. «Ich weiß», prustete sie. «Es ist erbärmlich. Ich
weiß.
Aber manchmal, wenn ich aufwache und seine Arme um mich herum spüre, dann ist es einfach schön. Einfach, ach, ich weiß nicht. Richtig schön.» Sie tippte mir ganz leicht an die Wange und sagte: «So schlimm ist es gar nicht, Willie. Hör endlich auf, so zu gucken. Ich hoffe bloß, du wirst irgendwann auch mal die Erfahrung machen, wie es sich anfühlt.»
    «Ich weiß doch, wie es sich anfühlt», sagte ich, aber es klang etwas schlapp. «Glaube ich jedenfalls», sagte ich und dachte an gewisse Momente zurück, an Männer, die während meines langen und bewegten Lebens als Junggesellin neben mir geschlafen hatten, an ihr gleichmäßiges Atmen, an den zarten Schwung ihrer Wimpern auf ihren Wangen, ihren männlichen Geruch. Vi schüttelte den Kopf und zog einen liebevollen, aber ungläubigen Flunsch. Ich dachte an Primus Dwyer. «Wirklich», sagte ich noch einmal und ging hinein.
    Weil ich an Clarissa dachte und unweigerlich glaubte, wenn ich an sie dachte, dann denke sie auch an mich, ging ich an jenem Abend ans Telefon, als es klingelte, und plapperte gleich drauflos.
    «Meine Güte», sagte ich, «ich bin so froh, mit dir zu reden. Kennst du diese Tage, an denen so viel in deinem Leben schiefläuft, dass du dir vorkommst wie im Auge eines Sturms, während um dich herum alles durcheinanderwirbelt? So einen Tag hatte ich heute. Ich fühle mich überhaupt nicht schrecklich, bis mir einfällt, wie schrecklich ich mich eigentlich fühle. Aber hör nicht auf mich. Ich bin ein solcher Depp, dass ich dich nicht zuerst frage, wie es dir geht. Also. Wie geht es dir?»
    «Prima. Und ja, ich hab solche Tage im Auge des Sturms ständig. Mann, ich bin wirklich, wirklich erleichtert, mit dir zu reden. Ich dachte, du wärst so stinksauer auf mich, dass du kein Wort mehr mit mir wechseln würdest, Queenie.»
    Ich brauchte bis zum Ende des zweiten Satzes, bis ich begriff, dass die Stimme, die ich da hörte, eine Männerstimme war; und weitere zehn Sekunden, um zu merken, dass sie Ezekiel Felcher gehörte. Doch bis dahin schien die Zeit immer langsamer abzulaufen, sich endlos dahinzuziehen, bis er schließlich sagte: «Ach, du hast gar nicht mit
mir
geredet, stimmt’s? Du dachtest, ich wäre jemand anders.»
    Ich rang gerade mit mir, ob ich einfach auflegen sollte, plötzlich so wütend auf diesen untersetzten alten Kerl am Telefon, dass meine Extremitäten ganz taub und klamm wurden. Doch bevor ich es tat, sagte er: «Na gut, bleib jetzt bitte dran. Darauf war ich vorbereitet», und dann kam ein fernes Klimpern, eine Gitarre spielte, und dann begannen Stimmen zu singen.
    «Ooooh-ohhhh, es tut mir soooo leid. Ooooh-ohhhh, so leid tut es mir.»
    Der Text war schrecklich peinlich, aber die Gitarrenakkorde waren kompliziert, verschnörkelt, und erst da wusste ich, wem diese schmeichelnde Stimme gehörte. Peter Lieder. Obwohl er so viel abgenommenhatte, besaß er immer noch die tiefe, volle Stimme eines dicken Jungen.
    Als das Lied zu Ende war, lachte ich so sehr, dass ich kaum in der Lage war zu sprechen. Während ich langsam wieder zu Atem kam, fuhr ich mir über die Augen und sagte: «Gib mir mal Peter Lieder.»
    Es raschelte am Telefon, und Peter Lieders normale, dünne Männerstimme sagte: «Hallo? Willie? Hallo?»
    «Peter-Lieder-Allesfresser», sagte ich. «Küss-keine-Mädchen-du-weißtes-besser. Sag das deinem Freund.» Und dann legte ich auf.

Namenlos
    Da war das Vorher, und da war das Nachher.
    Das Vorher war groß. Ich lief durch Gräser und Bäume. Zweige stachen in meine winterweichen Füße. Mein Volk bewegte sich bei Nacht, schweigend, gejagt von etwas Dunklem und Bösem. Meine Mutter beugte mit mir den Kopf über die Bibel, Buchseiten wie Hautschuppen und ihr Finger hell im Sonnenlicht, wenn sie damit an den Wörtern entlangfuhr und sie mir leise ins Ohr sagte.
Und die Erde war wüst und leer; und es war finster auf der Tiefe. Und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser.
Die fremde Sprache schlüpfte aus ihrem Mund, Klänge, die glitzerten wie Fische. Die Hand meiner Mutter an meiner Wange, ihr Arm so stark um mich. Das Gesicht meines Vaters, das trauriger und trauriger wird.
    Das Nachher waren sieben Schritte in jede Richtung, ein schmutziger Boden, die Farbe Braun, eine Hütte, in der es nach Fleisch und Männern roch. Ein kleiner Raum aus Holz und Lehm, ein Ort, an dem mich niemand berührte, und meine

Weitere Kostenlose Bücher