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Die Monster von Templeton

Die Monster von Templeton

Titel: Die Monster von Templeton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Groff
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spritzendes Blut, dort, wo sein Kopf gewesen war, und mein Vater, dem dasBlut vom Tomahawk tropft, der mich auf dem Arm trägt, mich hinauf in einen Baum wirft. Meine Mutter, die schreit, mein Vater, der herumfährt; die Bibel, noch warm in meiner Hand; das große Feuer. Und dann Stille, lange, lange Zeit. Ich saß in dem Baum, und eine Lebenszeit nach der anderen verging.
    Als ich wieder hinabstieg, drehte sich das Feuer meines Großvaters vor meinen Augen, bevor ich darauf zuging. Der Geruch der Bisamratte ließ mich erschaudern, und bevor ich in den Lichtkreis hineinsprang, spuckte ich das Fleisch aus, das ich in meinem Mund gefunden hatte, meine Zunge, die ich mir durchgebissen hatte.
    So kam es, dass ich von einem großen Leben in ein so kleines Leben überging, in dem selbst die kleinsten Dinge riesengroß wurden. Zwei Mahlzeiten am Tag, und beide wurden ein Festmahl. Wenn mein Großvater eine Geschichte erzählte, war es aufregend wie die Tänze, an die ich mich flüchtig erinnerte, das Dunkel und die Musik und die Stimmen und der rotgoldene Schein des Feuers und die Beine, die hindurchsprangen wie dunkle Blitze. Ich machte Fliegen zu meinen Haustieren, schloss Brüderschaft mit den Hunden und schaute Stunde um Stunde aus dem Fenster, beobachtete die kleinen Veränderungen der Wolken, die Schatten, die sich in die Verzweigungen der Bäume drückten. All die Jahre war da eine eiförmige Leere in mir, die schmerzte; all die Jahre dehnte sich die Zeit wie die endlos langen Schatten des Abends. Ich träumte und flocht Körbe und schaute in mein Buch, das braun besprenkelt mit Blut war, bis Davey mir ein paar Briefe zeigte, und dann lernte ich lesen, langsam, mühsam, Dinge, die ich nicht wirklich verstand.
    Der verschrobene alte Davey, mein Zukünftiger; ich wusste es immer, ich hörte sie reden. Doch er war gut zu mir. So achtsam war er, immer bemüht, mich nicht anzusehen, nicht zu berühren, vor allem als ich heranwuchs. Doch sein Herz war in den Eintöpfen, die er kochte, in der ersten blassen Knospe an einem Baum Ende des Winters, die bebte, als er sie in meine Hand legte. Ein guter Onkel war er, bis ichzwölf wurde und mich zu fragen begann, was das Wort
Ehemann
bedeutete. Einmal, allein in der Hütte mit meinem Großvater, als Davey noch draußen im Wald auf der Jagd war, fragte ich danach, in der Zeichensprache, die mir mein Großvater beigebracht hatte, doch er rauchte nur seine Pfeife und schaute mich an, bis ich schmollte und aufgab. Am liebsten hätte ich ihm die Glut aus seiner Pfeife in die Augen geschleudert; doch stattdessen spielte ich mit den weichen Ohren eines Welpen.
    In Zeiten wie diesen gab ich nur vor, ein braves Kind zu sein. Aber wirklich brav war ich nie, überhaupt nicht.
    Denn vom ersten Tag an, als ich in die Hütte gekommen war, bewegte ich böses Kind mich ein Stück näher zur Tür, jeden Tag ein bisschen mehr. Draußen war verboten; ich wäre bestraft worden, hätte man mich dabei erwischt. Nach dem zweiten Jahr, als ich sechs war, wagte ich es, eine Zehe hinauszustrecken. Ein ganzes Jahr lang wärmte ich meine Zehe an den guten Strahlen der Sonne, wenn mein Großvater in die Stadt ging, um seine Körbe zu verkaufen, und Davey in den Wäldern umherstreifte, um Fleisch für uns zu erjagen. Bei Nacht spürte ich meinen Fuß, wie er noch warm war vom Tag, und eine wilde Leidenschaft erhob sich in mir wie ein plötzlicher Schneesturm im Winter. Dann schaute mein Großvater mich an, und ich wandte den Blick ab, und Davey saß und redete und rauchte, behaglich und warm, und sah nichts.
    In einem weiteren Jahr wagte ich es, meine Schulter und das ganze Bein vor die Hütte zu halten, damit sie hinausschauten und den Wind spürten. Noch ein Jahr oder zwei, und ich stand im Schatten unter den Pinien, die Ohren gespitzt wie ein Reh, um jeden Schritt zu hören und rasch hineinzuspringen, auch wenn Davey noch eine halbe Meile entfernt war. Wenn man mir eine Frage stellte, etwa ob ich noch eine Kartoffel wollte oder etwas Ahornzucker, sagte ich manchmal genau das Gegenteil von dem, was ich mir wünschte, behielt die Lüge in mir, wie einen warmen Stein. Sie brachte mich zum Lachen bei Nacht,wenn ich nicht schlafen konnte. Ich war ohne Scham, und noch Wochen danach verhielt ich mich vorbildlich, hielt die Hütte sauber, flocht schöne Körbe. Und dann schlüpfte ich irgendwann wieder hinaus; und ich log; und mein Großvater schaute mich an, und ich spürte, wie das Gute in mir gerann und sauer

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