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Die Monster von Templeton

Die Monster von Templeton

Titel: Die Monster von Templeton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Groff
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Susquehanna in Sicht kam, der Fußpfad aus viktorianischer Zeit mit seiner zinnenbewehrten Begrenzungsmauer, vor dessen Öffnung heutzutage eine Eisenkette hing.
    Ich stieg über die Kette hinweg. Zeke folgte mir. Ich hörte seinen Atem, ganz leise hinter mir. Wir gingen über die moosbewachsene Brücke bis zu dem Gehölz auf der anderen Seite. Aus einer alkoholisierten Nacht an der Highschool erinnerte ich mich noch lebhaft an eine kleine Lichtung zwischen den Bäumen, mit Farnen bewachsen, die vom Pfad aus gerade noch sichtbar war, wenn man danach suchte. Als wir sie fanden, wiegten sich die Farne in einer leichten Brise und nickten mit ihren Wedeln. Ich drehte mich zu Zeke um, der hinter mir aufgeschlossen hatte, während ich auf die Farne schaute. Seine Hände lagen auf meiner Taille und zitterten ein wenig.
    «Warte», sagte ich. «Bist du etwa genau die Person, mit der ich das hier auf keinen Fall tun sollte? Und ist das vielleicht die bescheuertste Idee, die ich je hatte?»
    Er zuckte zusammen und nahm die Hände weg. «Wahrscheinlich», sagte er und kickte mit seinem großen braunen Stiefel nach dem Boden.
    «Na, dann super», sagte ich und reckte ihm den Mund entgegen. Seine Lippen waren warm und schmeckten nach Pfefferminz.
    Hinterher, während Zekes Rücken unter meinen Händen abkühlte, sein Schlaf tiefer und sein Atem weicher wurde, sah ich eine Amsel über uns am Himmel kreisen und spürte, wie sich erneut eine finstere Stimmung meiner bemächtigte. In letzter Zeit hatte ich einfach zu viel daran gedacht, und so war dieser Moment mit Zeke zu etwas Geschmeidigem, Seidigem geworden. Und doch waren da Lippen gewesen, die am falschen Platz waren, und Harz aus den Kiefernzapfen, Zeke, der mir besorgt etwas ins Ohr flüsterte, eine Fliege, die anmeinem anderen Ohr surrte, bis ich sie erschlug. Jetzt piekste mich ein Kiefernzapfen unangenehm zwischen den Schulterblättern, und ich spürte, noch tiefer da unten, unter meinem Rücken, hundert kleinere Regungen von all den Pflanzen, den Würmern, ich spürte den hungrigen Sog, den der Boden auf meine Knochen ausübte. Zentimeter um Zentimeter glitt ich unter Zekes beachtlichem Körpergewicht hervor und zog mich an. Er schlief, mit offenem Mund wie ein kleiner Junge, in seliger Nacktheit, den weichen Hintern vertrauensvoll in die Luft gereckt. Während ich mich über die Brücke zurückschlich, stellte ich ihn mir vor, wie er in vielleicht einer Stunde wieder aufwachte, über sich die raschelnden, nickenden Farnwedel, wie er aufblickte, einen Wedel an seine Wange gedrückt, wie er merkte, dass er allein war, und sich fragte, ob er das Ganze nur geträumt hatte. Er würde sich anziehen und aufstehen, voller Sorge. Und dann würde er in seine hintere Hosentasche greifen und meine Geisel, den alten Spinoza, nicht mehr dort vorfinden, und er würde, wie ich hoffte, begreifen, warum das Buch nicht mehr da war.
    Zurück in Averell Cottage, trat ich in die Eingangshalle und schüttelte traurig den Kopf vor der Kopie des Porträts des großen, fleischigen Marmaduke.
    «Du Halunke», sagte ich. «Ich glaube, wir kennen jetzt dein kleines Geheimnis, mein alter Freund.» Vielleicht sah ich seinen Mundwinkel ein wenig in meine Richtung zucken, vielleicht aber auch nicht. Doch auf einmal war ich wieder müde, der Zimtwecken meiner Mutter lag immer noch in meinem Magen, ebenso wie der Gedanke an das große weiße Willkommen meines Bettes. Ich stieg die Treppe zu meinem Zimmer hoch.
    An diesem Tag sollte ich nicht mehr zu meinem Nickerchen kommen.
    Ich war schon auf halbem Wege die Treppe hoch, als mein Herz einen gewaltigen Hüpfer machte und meine Haut von einem schrecklichkalten Hauch gestreift wurde. Das Treppenhaus schien sich auszuweiten, zu dehnen, bis es ganz krumm und riesig war, so gewaltig wie der See draußen, und dann schrumpfte der Raum um mich herum mit einem Klicken wieder in sich zusammen und bebte wie Gelatine, bis es mich umwarf und ich mich auf eine der Stufen setzen musste, die Hände an die Schläfen gepresst. Um mich herum war eine große Dunkelheit, dann ein schmatzendes Geräusch, alles verschwamm vor meinen Augen, als wären sie mit Fett verschmiert.
    Erst als mich wieder aufrichtete, wackelig und benommen, spürte ich das, was um mich herum war. Eine Masse, etwas Schweres, ein fremdes Ding, das ebenso riesig wie furchterregend war; erst in dem Moment spürte ich es pulsieren. Doch dieses Pochen war nicht das meines eigenen Herzens, und auch in meinem

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