Die Monster von Templeton
furchterregendes Auberginenblau an. Ich dachte über den Geist nach, über seine Güte, seine Besessenheit von Reinlichkeit, und sagte nicht, was ich dachte, und das war die Frage
Hetty?
gewesen. Stattdessen wandte ich mich wieder dem Brief zu und klappte ihn auf. Und sah, in Kinderschrift, den Namen
Guvnor Averell.
Und dann las ich.
Elizabeth Franklin Temple
Ich hatte davon geträumt, lange bevor es wirklich geschah. Dabei war ich nie jemand, der an böse Omen glaubt; schließlich bin ich Quäkerin.
Jede Nacht in meinem harten Bett der gleiche Traum. Zuerst das Knarzen von Stiefeln, die nach Hickoryholz duftende Frische der Winterluft. Nacht. Schneetreiben. Und irgendwo im Hintergrund das Johlen von Zechern, irgendwo auf der Second Street, an der Kreuzung zwischen dem Eagle-Hotel – der Föderalistenbar – und dem Kühnen Dragoner – der Bar der Antiföderalisten. Siegesgeschrei auf der einen Seite und auf der anderen trauriges Gefiedel, das Lied der Niederlage. Erst wenn ich die Benommenheit in meinem Kopf spüre, den sauren Nachgeschmack von Eierpunsch in meinem Mund, wird mir bewusst, dass ich in meinem Traum Marmaduke selbst bin und dass der massige Körper, über den ich verfüge, meinem Mann gehört.
Einen Moment lang steht der jungfräuliche Dreiviertelmond am Himmel, wie festgenagelt über dem zugefrorenen See und den schneebestäubten Hügeln. Und vor mir erstreckt sich die Stadt in ihrer ganzen Länge, den Hügel hinab bis zum See; und hinter mir, vorbei an der Knabenakademie und den Kirchen bis zu den Farmen mit ihren vielen Färsen; und zu meiner Rechten, vorbei am Herrenhaus und den Mount Vision hoch, wo Davey Shipmans Hütte steht; und zu meiner Linken, jenseits der Bäckerei und am neuen Gerichtsgebäudeund dem Gefängnis vorbei. Stolz steigt heftig in meiner Brust auf, ein Stolz, wie ich ihn – als wachende Elizabeth – niemals zuvor empfunden habe.
Dann ist da ein seltsames Geräusch, das ich nicht genauer ausmachen kann, und plötzlich ein dumpfer Klang in meinem Kopf, ein hohles Rumsen, wie wenn eine Zuckermelone auf den Boden plumpst. Langsam neigt sich die Welt zur Seite, während mein großer Körper den Halt verliert und fällt. Das Gesicht auf dem kalten, harten Boden, ein Geruch wie nach Pferden. Dort vorne ragen die Bäume dunkel über den zusammengekauerten Dächern der Second Street, als wollten sie die Stadt bedrohen, und meine Wange wird taub an der Straße. Während es vor meinen Augen langsam dunkel wird, sehe ich einen Stumpf in der lehmigen Straße, einen breiten alten Stumpf von irgendeinem alten Baum, der vergessen wurde, bis auf ein Nichts abgehackt an der Straße, und genau in der Mitte ist ein Spalt in diesem Stumpf, und ein winziger Schössling hat sich aus herabgefallenem Dung etwas Nahrung geholt und sprießt empor, ein zarter Trieb. Dann fließt etwas Heißes in meinem Ohr zusammen, das Lärmen der Zecher hinter mir wird schwächer, an seine Stelle tritt ein Pulsieren, die Schläge eines großen und gewaltigen Herzens, und dann ist da Dunkelheit, und ein großes Loslassen.
Oft habe ich den Tod meines Mannes geträumt, in den lebhaftesten Farben. Das Rätsel bestand immer darin, wer ihn umgebracht hat. Er hatte viele Feinde, besonders wegen der fragwürdigen Wahl, die erst vor ein paar Tagen stattgefunden hatte. An genau jenem Tag sollte die Auszählung der Stimmen vollendet sein. Er war ein maßloser Mann gewesen, mein Marmaduke, dessen Zwiste mit den Siedlern der Stadt allzu bekannt waren und der sich mit seinem Reichtum, seiner Macht Feinde gemacht hatte.
Doch in der Nacht seiner Ermordung wusste ich, wer ihn getötet hatte. Und noch bevor er starb, wusste ich, warum.
In der Nacht vor dem Tod meines Mannes hatte ich Davey Shipmans Hütte beobachtet, hatte gesehen, wie die ganze Nacht hindurch die Fenster rot glühten. Bis zum Morgen lag Namenlos immer noch in den Wehen, denn man hätte nur dann das Licht gelöscht, um sie ruhen zu lassen, wenn sie das Kind bereits zur Welt gebracht hatte. Ich, die ich sieben Kinder zur Welt gebracht hatte, von denen allerdings nur zwei überlebt hatten, wusste, was das arme Ding durchmachte. Als der Morgen anbrach, hatte ich schon seit Stunden dagegen angekämpft. Selbst damals wusste ich bereits, dass der kommende Abend derjenige sein würde, von dem ich geträumt hatte, der Mond, der Schlag, der Tod meines Marmaduke. Jedes Mal, wenn ich in den Schlaf hinüberglitt, kam der Traum, und ich wachte wieder auf, die Haare standen
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