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Die Monster von Templeton

Die Monster von Templeton

Titel: Die Monster von Templeton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Groff
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habe von noch perfideren Dingen gehört, was sein verdorbenes Tun angeht, von zwielichtigen Geschäften, die einem Mann der Moral und des Glaubens nicht gebühren.
Verstehen Sie? Da steckt etwas Böses dahinter, vielleicht persönliche Gehässigkeit oder Rachegelüste. Möglicherweise ist das auch der Grund, warum der Mord – und es
war
Mord, da bin ich mir sicher – verschwiegen wurde.»
    «Damit wollen Sie sagen», erwiderte ich langsam, «dass der alte Marmaduke sich vielleicht an Phinneys Frau herangemacht hat?»
    «Oder an seine Tochter», mutmaßte Hazel. «Rosamond Phinney war eine große Schönheit, wissen Sie, und sie hatte jede Menge Verehrer. Irgendwann gab es einen kleinen Skandal wegen ihrer tändelnden Art,und dann wurde sie ganz schnell an einen entfernten Vetter verheiratet.» Hazel schaute mich an, und ihre Augen funkelten. «Wissen Sie noch, wie ich Ihnen gesagt habe, Sie seien auf dem richtigen Trichter? Nun, Rosamond war die Mutter von Adah Phinney, dem armen Mädchen, das sich im Wald verirrte», sagte sie.
    «Und Adah war – das vermuten wir wenigstens – die Mutter von Simon Phinney», antwortete ich. «Hm.
Phinney
», wiederholte ich.
    Ich blinzelte, weil mir auf einmal der einzige Phinney eingefallen war, den ich kannte und der möglicherweise mein Vater war: der Urururururenkel von Elihu, der kleine, glatzköpfige und säuerliche Frank Phinney, dem heute das
Freeman’s Journal
gehörte. Frank Phinney!
Ach, verdammt,
dachte ich, musste aber schon beim nächsten Herzschlag ein wenig lächeln. Ich hatte Frank immer Kaffee aus dem Stagecoach Coffee geholt, als ich während des College eine Hospitanz bei der Zeitung gemacht hatte, und einmal war ich vor Lachen vom Stuhl gefallen und hatte Tränen gelacht wegen eines blöden Witzes, den er erzählte:
Was macht Klipp-klapp-klipp-klapp-PENG!-klipp-klapp-klippklapp?,
hatte er gefragt, und noch bevor ich fragen konnte: Was denn?, hatte er, mit einem knallroten Gesicht vor Freude, geantwortet:
Einer von den Amish-Leuten im Wilden Westen, der in einen Hinterhalt gerät.
Eigentlich war Frank gar nicht so übel – wenigstens hatte er Sinn für Humor, und er mochte mich, weil ich über jeden seiner Witze lachte, ob gut oder schlecht. Und dann dachte ich wie elektrisiert:
Geschwister!,
denn mir fiel ein, dass ich ab und zu seine beiden Teufelsbraten, Joshua und Tilly, gehütet hatte, bei Familienreisen nach Hilton Head und Schottland, und dabei hatte ich immer gewusst, dass es einen Grund geben musste, warum ich sie damals nicht umgebracht hatte.
    «Meine Güte», sagte ich und stand auf. «Ich glaube, ich muss mit Vi reden», und beugte mich, ohne weiter darüber nachzudenken, hinab, um Hazel auf die kitzlige kleine Wange zu küssen. Sie errötete heftig und zuckte zusammen, und erst aus meiner gebückten Haltung heraus konnte ich die Keksschachtel zu neunundneunzig Cent aus demSupermarkt erkennen, aus der die liebe Alte offenbar ihre Gebäckköstlichkeiten genommen hatte.
    Draußen stürmte ich in meiner überschäumenden Begeisterung die River Street hoch. Zu meiner Rechten kräuselten sich die Fluten des Susquehanna, und in dem Dunst über dem See hob sich mit klaren Konturen der Kingfisher Tower ab, wie ein Elfenschloss, das sich sofort wieder in nichts auflöste, sobald man fest den Blick darauf richtete. Mir war ganz leicht zumute, und das Adrenalin, das in großen Schüben durch meine Adern schoss, brachte meine Glieder zum Singen. Ich stellte mir vor, wie ich die Arme ausbreitete und zu Frank Phinney
Dad!
sagte, stellte mir sogar ein gemütliches kleines Picknick auf der säuberlich getrimmten Rasenfläche der Oper vor, mit Vi und Frank und Champagner und Marmormuffins und wie wir alle miteinander lachten, während das Licht des späten Nachmittags einen goldenen Schimmer annahm und seine langen Strahlen nach uns ausstreckte. Erleichterung schwappte über mich hinweg, eine Welle nach der anderen; endlich war ich mit meinen Nachforschungen fündig geworden; ich hatte Frank Phinney immer gern gehabt, er war einer der Laufkumpels, und ich wusste, er würde einen Vater abgeben, mit dem man Pferde stehlen konnte; ich würde zu Clarissa zurückkehren können, mein Leben in San Francisco wieder aufnehmen und ganz von vorne anfangen.
    Doch schon bald, mit jedem Schritt, den ich machte, erblühte eine Blume des Zweifels in mir, und als ich die oberste Stufe der Treppe erreicht hatte, die hinab zum Council Rock führte, blieb ich gänzlich stehen. Ich

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