Die Monster von Templeton
drehte sich um, und seine Augen wurden ganz rund, und dann sprang er aus dem Weg und zog seine Frau mit sich.
Man stelle sich ein Buschflugzeug vor, das durch die Tundra dröhnt, das Kurven fährt, hochschaltet. Zwei kleine Gestalten laufen davor weg, Hand in Hand. Das Flugzeug beginnt zu beschleunigen, auf die beiden Gestalten zu, wendet sich, als sie sich trennen, der kleineren, mageren zu und donnert jetzt direkt auf die schreiende, laufende Lady in ihrer wattierten Daunenjacke zu. In diesem Moment schwang sich der Pilot mit einem verdammt mutigen Satz ins Cockpit hoch und riss das Flugzeug in allerletzter Minute herum. Er warf einen kurzen Blick in mein Gesicht, beschleunigte den Flieger und zog ihn schließlich hoch.
Er flog mich den ganzen Weg zurück nach Nome, weil er, wie er sagte, Angst vor dem hatte, was ich getan hätte, wäre ich geblieben. Ich nahm einen Flug nach Fairbanks und dann nach San Francisco und bezahlte die ganzen Tickets mit einer Kreditkarte, die ich in dem schwarzen Gucci-Notizbuch gefunden hatte, das vorne im Cockpit lag, noch warm von den Händen von Dwyers Frau. Im Cockpit roch es süßlich nach dem Parfüm, das sie sich aufgesprüht hatte, nur wenige Momente bevor sie aus dem Flieger geklettert war.
Als wir in San Francisco landeten, zitterte ich so sehr, dass ich kaum gehen konnte. Ich hatte kein Gepäck und nahm mir ein Taxi nach Stanford, wo die Palmen am Memorial Drive strammstanden wie bei einer Militärparade und die Gebäude so rosa waren wie das Paradies. Ich schwitzte in meinen Alaska-Klamotten, während ich das Auto mit all den Sachen volllud, die mir etwas bedeuteten. Und dann fuhr ich los. Ich hatte nicht geschlafen, weinte und fuhr den größten Teil der Strecke über hundertvierzig Stundenkilometer. Nur einmal hielt ich an, um zu tanken und auf die Toilette zu gehen, einmal auch, um mich zu waschen und mir ein T-Shirt und Shorts anzuziehen. Ohne etwas im Magen konnte ich nicht mehr viel sehen, als ich durch Erie fuhr. Eine Art Vision von Primus Dwyer saß manchmal neben mir auf dem Beifahrersitz, so wie ich ihn am besten kannte, gebräunt und gut aussehend, in seinen Forscherklamotten. Er sagte nichts, lächelte nur. Immer noch wütend, tat ich so, als sähe ich ihn nicht.
Templeton erreichte ich in der Dunkelheit kurz vor dem Morgengrauen und parkte den Wagen vor dem Postamt, wo er immer noch stand, als ich mit Clarissa telefonierte. Vor unserem Haus hatte ich ihn deshalb nicht geparkt, weil ich befürchtete, meine Mutter würde mich vorfahren hören und mit einer Axt in der Hand aus dem Haus gestürmt kommen. Schließlich hatte ich eine geschlagene Stunde vor Averell Cottage gestanden und meinen ganzen Mut zusammengenommen, um hineinzugehen.
Und dann erzählte ich Clarissa von dem sterbenden Ungeheuer undwie ich es berührt und die Schwärze des Sees gespürt hatte, seine unendliche Tiefe. Der Tod des Ungeheuers, sagte ich ihr, sei der beste Beweis dafür, dass alles, alles, alles in die Brüche ging.
Hier trat eine quälend lange Pause ein, in der ich fast hören konnte, wie Clarissa nachdachte. Meine Geschichte hatte Stunden gedauert; in San Francisco war es mitten in der Nacht, und die Hintergrundgeräusche der Stadt waren nicht mehr zu hören. Schließlich sagte sie: «Na ja. Du sitzt ziemlich in der Scheiße, das ist wohl wahr. Aber im Grunde ist das gar nicht so schlimm. Immerhin bist du in Templeton. Also reiß dich endlich zusammen. Werd wieder gesund,
yadda, yadda, yadda,
und komm heim, zurück nach San Francisco.»
«Ich werd’s versuchen», sagte ich. «Aber warte, da ist noch mehr.»
«Kann ja wohl nicht sein», sagte Clarissa.
«Doch, und wie», sagte ich. «Die liebenswerte und vernünftige Vivienne Upton, die erstaunlicherweise zur Jesus-Anhängerin geworden ist …»
«… ich
weiß
», sagte Clarissa unsicher. «Wir reden die ganze Zeit miteinander. Allerdings nicht, seit du wieder daheim bist, fällt mir gerade auf.»
Ich hielt inne und ließ diese Information auf mich wirken. «Nun», sagte ich. «Deine allerneueste beste Freundin Vivienne Upton hatte die Frechheit, mir beim Abendessen mitzuteilen, dass mein ganzes Leben auf einer abscheulichen Lüge aufgebaut ist. Und sie hätte es mir sagen müssen, weil Jesus Lügner verabscheut. Jetzt kommt’s – oder weißt du das auch schon?»
«Nein», sagte Clarissa. «Aber du wirst es mir sowieso gleich verraten.»
«Das werde ich», sagte ich. «Erinnerst du dich noch an die Geschichte, die
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