Die Monster von Templeton
Hand schlug. Er stand, ziemlich wacklig, auf dem Sprungbrett des Pools.
Dieses Jahr,
sagte er gerade,
lauten die Namen der Doktoranden, die ich nach Alaska mitnehme
(und hier machte er eine Pause und räusperte sich),
John Beardsley und Wilhelmina Upton.
Ich war gerade dabei, mir ein Glas Wein hinter die Binde zu kippen, als wäre es Schnaps, und erstarrte. Ich sah, wie die Augen der Lustfeindlichen Ziege ganz schmal wurden; wie sie die Fäuste in die Hüften stemmte. Doch als ich vortrat, mir alle auf den Rücken klopften, spürte ich, wie sie mich genauer musterte; mein pausbäckiges Gesicht, meinen kahl rasierten Kopf, meine chaotische Kleidung; und ich sah, wie sie sich entspannte. Fast konnte ich sie hören, wie sie mich insgeheim als Lesbe bezeichnete. Ich schaute sie finster an. Sie bemerkte es und schenkte mir ein affektiertes Lächeln.
…
Wir haben dieses Jahr zwei Doktoranden, die mir assistieren werden
, erklärte Primus Dwyer gerade,
weil dieses Jahr das Jahr ist, in dem wir endlich das finden werden, was wir schon so lange zu finden hoffen.
Hurra,
schrien alle um den Pool herum.
Hurra,
flüsterte ich in meinen Wein. Ich war ganz schwach in den Knien und zitterte.
Natürlich hatte ich mich an dem Tag, als ich mich mit ihnen am Flughafen traf, für das verwegenste Outfit entschieden, das ich finden konnte. Ich legte jede Menge Make-up auf und trug ein winziges pinkfarbenes Kleidchen und Stöckelschuhe. Der Rest der Gruppe passierte gerade die Sicherheitskontrolle, und Dwyer und seine Frau nahmen herzzerreißend Abschied voneinander. Zur Abwechslung war er nicht angezogen wie ein Junggeselle aus viktorianischer Zeit; er trug ganz normale Klamotten, sah aber dennoch aus wie ein Forschungsreisender der Geographic Society, seinen Khakihosen mit abnehmbarem Bein, dem Buttondown-Shirt und den Schuhen mit Stahlkappe. John Beardsley grinste, als er mein Outfit sah, und gingdann durch die Schranke mit dem Metalldetektor. Dwyer und seine Frau lösten sich voneinander, und in diesem Moment entdeckten sie mich.
Er musste zweimal hinschauen und wandte dann rasch den Blick von der langen, unbedeckten Fläche meiner nackten Beine ab. Seine Frau legte die Stirn in Falten, in tiefe Falten. Doch es war keine Zeit mehr, und dann ging auch ich durch die Sperre. Dwyer folgte mir, und vielleicht war da doch ein winziger Unterton der Panik in der Stimme seiner Frau, als sie hinter uns herrief: «Viel
Glück!
Und sei
artig!»
Der Flug von San Francisco nach Salt Lake City war eng, voll besetzt, und als Verpflegung gab es nur eine Tüte Erdnüsse und eine armselige Zitronenlimo. Doch als wir auf dem Weg von Utah nach Alaska waren und John und ich die Nasen tief in unsere jeweiligen Bücher gesteckt hatten, kam eine Stewardess und sagte uns, in der ersten Klasse gebe es einen freien Platz, und Primus Dwyer habe sie so lange bezirzt, bis sie bereit war, ihn einem von uns anzubieten. John und ich spielten eine Runde Daumenhakeln. Ich gewann. Ich ging nach vorne, und da saß Primus Dwyer, hinter einer Schlafmaske verschanzt. Also ließ ich mich in den gemütlichen Sitz sinken und schaute mir einen Film an.
Der Film war etwa bei der Hälfte angelangt, als Primus mir auf die Schulter tippte und einen Schokoladenkeks anbot, auf die vorsichtige Weise, wie man einem Zootier eine Erdnuss hinhält. Ich legte also eine Pause bei meinem Film ein, und wir fingen an zu reden. Zuerst sprachen wir über unser Projekt. Insgesamt gesehen, kann man von der Annahme ausgehen, dass die Urvölker Nordamerikas aus Sibirien auf den amerikanischen Kontinent gekommen sind, und zwar über die Beringstraße. Unser Vorhaben bestand darin, den genauen Zeitpunkt ihrer Ankunft zu bestimmen. Obwohl das kältere Klima darauf schließen ließ, dass es dort bereits 33.000 Jahre vor unserer Zeitrechnung Menschen gegeben hatte, stammten die ältesten Fundorte in Alaska von 14.000 v. Chr. Diese Diskrepanz war beunruhigend. Primus Dwyer und die Jungs aus Harvard führten Grabungen an einer Fundstättein der Nähe von Cape Espenberg durch, die mit ziemlicher Sicherheit auf eine Zeit rund 25 000 Jahre v. Chr. zurückging. Im Be-reich menschlicher Frühgeschichte würde es eine gewaltige Entdeckung bedeuten, sollten wir tatsächlich dort auf den Beweis für eine so frühe menschliche Existenz stoßen.
Als wir uns leichteren Themen zuwandten, hatten der Doktor und ich bereits mit jenem seltsamen Tänzchen begonnen, das darin bestand, dass wir miteinander
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