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Die Monster von Templeton

Die Monster von Templeton

Titel: Die Monster von Templeton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Groff
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und Buchstaben auf der Strecke blieben: «Und-bewahre-sievor-Teufel-und-gib-die-Kraft-Versuchung-widerstehen-und-schenke-Frieden-im-Nam-Christi-Herrn-Amen.»
    «Amen», sagten alle und schauten mich strahlend an, alle außer Vi, die auf ihre Knie hinabstarrte und meinem Blick auswich.
    «Vi?», fragte ich. «Was zum Teufel soll das hier?»
    Der Magermilchpriester erhob sich und faltete die fetten weißen Hände vor seinem Bauch. «Wilhelmina», sagte er. «Wir haben dir ein Geschenk gemacht. Ein Gebet für deine Zeit der Mühsal, ein Geschenk an deine immerwährende Seele.»
    «Ach, scheiß auf meine immerwährende Seele», sagte ich.
    Eine alte Dame hielt erschrocken die Luft an; ein alter Mann schnalzte mit der Zunge und sagte: «Der Teufel hat deine Zunge geholt, mein Fräulein.»
    «Scheiß auf den Teufel», sagte ich. «Ihr könnt nicht einfach bei irgendjemandem zu Hause eindringen und ihn mit Gebeten belästigen, wenn er an den schwachsinnigen Käse nicht glaubt. Das geht einfach nicht. Das ist bekloppt.»
    «Willie», schnappte meine Mutter. «Du bist ungezogen.»
    «Ungezogen?», fragte ich, aufgeplustert und selbstgerecht. «Ich? Nun, Vivienne, tut mir leid, aber ungezogen finde ich, dass du der ganzen Stadt erzählst, deine Tochter sei eine Versagerin. Ungezogen ist, jemandenunter Zwang zum Nutznießer einer Religion zu machen, die er widerlich findet und für den Ursprung all dessen hält, was auf der Welt schiefgelaufen ist. Vi,
du
bist ungezogen gewesen. Du bist der Rüpel. Nicht ich.»
    «Wilhelmina», donnerte da der Priester und zeigte mit dem Finger auf mich. «Du sprichst hier mit deiner Mutter, und sie verdient deinen Respekt. Du solltest dich schämen.»
    Ich starrte ihn so finster an, dass sich ein Hauch von Röte über sein teigiges Gesicht zog. «Sie», sagte ich, «Sie sind derjenige, der sich schämen müsste. Sie sind ein widerlicher Bauernfänger. Und jetzt raus aus meinem Haus mit diesem Mummenschanz.» Mit diesen Worten fuhr ich herum und schlug die Tür des Esszimmers hinter mir zu, dann schlug ich die Tür des Salons zum Flur zu und schließlich die Tür oben an der Treppe und am Ende auch noch die Tür meines Zimmers.
    Einen Moment lang vergaß ich, dass ich achtundzwanzig war; ich fühlte mich wieder wie dreizehn, wild und hormongesteuert. Eines nach dem anderen schmiss ich die Stofftiere aus dem Stubenwagen an die Wand, wo sie beim Aufprall den Staub von siebzehn Jahren von sich gaben. Als die Bibel-Heinis sich mit ihrem Aufbruch immer noch Zeit ließen, schlug ich so heftig auf mein Kissen, dass mir die Hand noch tagelang wehtat. Aus dem Augenwinkel heraus sah ich mich im Spiegel und entdeckte zum ersten Mal, dass mir die Zornesröte gut zu Gesicht stand und endlich wieder mein strahlendes, gut aussehendes Ich zum Vorschein gekommen war. Wie bescheuert, zu einem solchen Zeitpunkt eitel zu sein. Einfach albern. Ich lachte leise vor mich hin.
    Unglücklicherweise stürmte meine Mutter in genau diesem Moment in mein Zimmer. «Oh», sagte sie, «freut mich zu sehen, wie lustig du es findest, deine Mutter vor ihren Freunden zu demütigen.»
    «Ach so, stimmt», sagte ich. «Natürlich bist du diejenige, der übel mitgespielt wurde. Nachdem du der ganzen Stadt erzählt hast, dass ich mit einem verheirateten Professor geschlafen habe und für diesenEhebruch mit einem gottlosen heidnischen Bastard gestraft wurde. Ich sollte mich also noch bei dir entschuldigen, richtig?»
    «Ja, in der Tat. Sie haben es nur gut gemeint. Und ich habe niemandem gesagt, warum du hier bist.»
    «Richtig. Die haben sich einfach aus heiterem Himmel dazu veranlasst gesehen, für mich in einer Zeit der Bedürftigkeit zu beten. Einfach so, obwohl sie keine Ahnung haben, dass ich in Schwierigkeiten stecke.» In Vis Gesicht zuckte etwas auf, das Ungeduld oder auch Erheiterung sein konnte. «Reverend John Melkovitch ist ein sehr spiritueller Mann», sagte sie. «Ich bin mir sicher, darauf ist er selbst gekommen.»
    In diesem Moment wandte ich mich von meiner Mutter ab und schaute auf den stillen See hinaus. Obwohl es ein schöner, heißer Tag war, war niemand draußen auf dem Wasser; weder Motorboote noch Jetskis, und soweit ich sehen konnte, gab es bei Fairy Springs oder am Country Club auch keine Schwimmer. Der See wirkte glanzlos, verstimmt. «Und überhaupt, dieser Reverend Milky», sagte ich. «Was für ein totaler Widerling. Nichtssagend und ekelhaft. Dem sieht man doch schon aus einer Meile Entfernung an, was

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