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Die Monster von Templeton

Die Monster von Templeton

Titel: Die Monster von Templeton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Groff
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für ein falscher Fuffziger er ist. Ich bin wirklich enttäuscht über die Wahl deiner spirituellen Leitfiguren. Als hättest du dir nicht irgendeinen Yogi oder Mönch oder sonst jemanden suchen können, der deiner Person angemessener ist. Ich meine, dass du dir ausgerechnet so einen rechten Kleriker aussuchst! Wahrscheinlich ist der nicht mal für soziale Sicherheit oder für die Rechte der Frau. Denkt wahrscheinlich, die besten Leute, die ich kenne, kommen gerade deshalb in die Hölle, weil sie die Welt nicht auf dieselbe engstirnige, reaktionäre Weise sehen wie Arschlöcher wie er. Ich fürchte, dem bist du wirklich auf den Leim gegangen, Vivienne. Ich hab Angst um dich, richtige Angst.»
    Hier trat ein langes Schweigen ein, und als meine Mutter wieder das Wort ergriff, sprach sie ganz nah an meinem Ohr und sehr leise. «Nun, das ist wirklich schade», sagte sie. «Denn er ist mehr als nur meinPfarrer, Willie. Wir haben seit etwa neun Monaten eine Beziehung. Es ist ernst. Bloß dass du’s weißt.»
    Ich war zu verblüfft, um etwas zu sagen, und wandte mich stattdessen nur um und marschierte aus der Tür. Während sie, mit Märtyrerstimme, hinzufügte: «Abendessen um sieben, Sunshine. Gefüllte Tomaten, dein Leibgericht», sagte sie und ging hinaus.
    «Reverend Milky ist doch
überhaupt nicht
dein Typ», rief ich, doch sie ließ nur einen gewaltigen Seufzer vom Stapel und stapfte lautstark die Treppe hinab.
    Als ich Clarissa anrief und der Anrufbeantworter sich mit den Worten einschaltete:
Hallo, hier ist der Anschluss von Clarissa Evans und Sullivan Bird. Fasst euch kurz und seid nett,
schlug ich meine beste Amateurdetektivinnenstimme an, wie ein gut gelauntes, selbstsicheres Mädchen von der Ostküste.
    «Das Rätsel der Wundersamen Christlichen Verwandlung ist plötzlich gelüftet! Teil 1 der neuen Fortsetzungsserie erfahren Sie brandheiß durch Anruf bei Willie Upton, der jungen Amateurdetektivin. Werde die ganze Nacht wach sein, über Stammbaumforschung brüten und um den Anruf eines gewissen dunkelhaarigen, gut aussehenden Briten beten. Rufen Sie deshalb jederzeit an, seien Sie aber nicht beleidigt, wenn ich zuerst ein bisschen enttäuscht bin. Liebe Grüße an euch beide. Tschüs.»
    Mir war so leicht ums Herz, dass mir fast ein wenig schwindelig war, doch als ich aufgelegt hatte, fühlte ich mich plötzlich völlig ausgelaugt. Ich ging hinunter zum Abendessen, hatte meine gefüllten Tomaten schon vertilgt, bevor meine Mutter mit ihrem Gebet fertig war, und nahm mein Glas Milch mit nach oben, weil ich allein sein wollte. Ich war nach Hause gekommen, um wieder ein Kind zu werden. Es ging mir nicht gut, mein Herz war gebrochen, ich war am Ende meiner Kräfte, schwankte in meiner Entscheidung zwischen einer Abtreibung und einer ungeplanten Mutterschaft, und meine Mutter erlaubtemir, mich zu benehmen wie ein Kind. Wie ein Teenager gab ich mich meinen Hormonschüben und meinem Kummer einfach hin. So wütend ich auch auf sie war – ein kleiner, müder Teil von mir war auch dankbar und erleichtert.

Hetty Averell
    Meistens brauche ich mir einen Mann bloß anzuschauen, und ich weiß, ob ich ihn um den Finger wickeln kann. Und dann kann ich das auch, selbst bei denen, die sie so aussehen, als würde keine Frau das bei ihnen schaffen. Bei Duke hab ich’s sofort gesehen. An dem Tag damals in Philadelphia kauft er Sklaven, um mit ihnen Templeton zu bauen, dort in dem stinkigen Sklavenhaus. Den großen, stillen Mingo hat er gekauft, damit er ihm Sachen baut. Cuff, den kleinen Indianer, damit er für Duke schreibt. Duke kann keinen richtigen Satz schreiben, und Cuff, der schreibt wie die klügsten Engel im Himmel.
    Duke geht in Richtung Tür, mit den beiden im Schlepptau. Ich schau ihn mir genauer an, und mir gefällt, wie er aussieht. Rote Haare unter all dem Puder. Groß, gebaut wie ein Bulle. Gute, schwarze Kleider, wie Quäkerkleider, aber ich weiß, er ist kein richtiger Quäker, weil die nämlich keine Sklaven kaufen. Also schau ich ihn an, saug mich mit meinen Augen fest an ihm. Er merkt es. Er dreht sich um, ganz, ganz langsam, schaut mich an. Ich habe mein Hemd ausgezogen, und die ganzen Männer schauen sich meine Brüste und meine Zähne an, und die sind schön, und meine Haut glänzt wie Wasser. Ich bin damals achtzehn oder zwanzig, und ich bin ein schönes Mädchen. Eitel bin ich nicht, es ist einfach die Wahrheit. Damals hab ich schon zwei Babys, aber die sind in Jamaika geblieben. Mit zehn oder elf

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