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Die Monster von Templeton

Die Monster von Templeton

Titel: Die Monster von Templeton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Groff
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Anwalt in die Stadt gekommen und auf seiner abgekämpften Schindmähre vor dem Pub stehen geblieben war, um das Schild zu lesen, warf er den Kopf in den Nacken und lachte und lachte, bis sich eine kleine Menschenmenge um ihn versammelt hatte.
    «Nun verratet uns doch mal, was da so komisch ist, hoher Herr», sagte der kleine, dachsartige Wirt, der ob dieser Respektlosigkeit tief errötet war.
    Der Anwalt sprühte nur so vor Vergnügen. «Mit O ist das ein Dragoooooner, guter Mann», rief er, «und ohne O ein Drache. Man sagt doch auch nicht Droche», fügte er zur großen Belustigung der Gaffer hinzu.
    Bei diesen Worten trat der Wirt mit einem Farbtopf in die Menge, stellte sich auf die breiten Schultern eines Siedlers namens Solomon Falconer und zeichnete hastig, aber detailgenau einen schmucken Dragoner in Rüstung auf das Schild, der sich praktischerweise – so musste der Wirt den Drachen nämlich nicht entfernen – als Drachentöter betätigte und das Fabeltier von unten aufspießte. Es war genau dieses picobello restaurierte, ziemlich schaurige Wirtshausschild,das im Seewind schaukelte und unter dem ich nun auf meinem Weg ins Pub hindurchging. Freitags war das Pub fest in den Händen von jungen Leuten, während es unter der Woche den Harley-Fans als Tränke diente und die gesamte Pioneer Street hügelaufwärts bis zu der vornehmen presbyterianischen Kirche mit schweren Hobeln zugeparkt war. Als ich direkt vor der Tür stand und von drinnen die markerschütternden Bässe der Kneipenmusik hörte, holte ich noch einmal tief Luft, um mich zu wappnen, und betrat dann das Pub mit seinen rauchgebeizten Balken und dem schimmernden Originaldielenboden.
    Die Musik verstummte nicht; und es waren auch keineswegs alle Köpfe, die sich nach mir umdrehten, als ich die Kneipe betrat. Dennoch waren es immerhin so viele, die einen Moment lang in ihren Gesprächen innehielten und zur Tür spähten, um zu sehen, wer es war, dass der Geräuschpegel deutlich spürbar sank. Dann war Peter Lieder an meiner Seite, grinste mich auf seine idiotische Weise an, ich hatte einen Stumpen mit einer dunklen Flüssigkeit in der Hand, und einen Moment später ergoss sich der starke, süße Geschmack von Schnaps in meinen Mund und rann mir durch die Kehle, die sich vor der brennenden Hitze des Gesöffs zusammenzog.
    «Willie», sagte Peter, dessen Atem bereits mit Alkohol parfümiert war.
    «Wenn ich ehrlich bin, habe ich nicht mehr damit gerechnet, dass du kommst.»
    «Peter, wenn ich ehrlich bin, habe ich ein Nickerchen gemacht und hätte fast durchgeschlafen.» Ich stellte das Schnapsglas auf einem Tisch in der Nähe ab und lächelte ihn an.
    «Wenn ich ehrlich bin», fing Peter Lieder wieder an, und erst in diesem Moment bemerkte ich, dass er auf seine Frackschleife verzichtet hatte, unter einem gelben Pullover ein pinkfarbenes Poloshirt trug und die Stellen, wo die Hemdsärmel endeten und seine Haut begann, deutlich zu sehen waren. Er sah so sehr wie ein Yuppie aus, wie das jemand, der keiner ist, aber leidenschaftlich gern einer wäre, schaffenkann. «Wenn ich ehrlich bin», fing er noch einmal an und legte besitzergreifend eine Hand auf meine Schulter, «dann bist du ein ziemlich heißer Feger, Willie.»
    «Ach herrje», erwiderte ich. «Nix für ungut, Peter, aber ich dachte, das hier sei von deiner Seite ein Rendezvous aus Mitleid. Ich bin heute Abend nicht in der Verfassung, betatscht zu werden.»
    «Betatscht?», fragte Peter mit einem gequälten Lächeln. Sein Schnurrbärtchen zuckte, als wäre Leben darin. «Dazu bin ich doch viel zu schüchtern, oder?»
    Ich musste ihn zweifelnd angeschaut haben, denn Peter machte, offenbar gekränkt, einen Rückzieher. Und in genau dem Moment, als er den Mund aufmachte und etwas sagen wollte, während ich mich auf seine Retourkutsche gefasst machte, sagte eine Stimme: «Wer, Peter?» in mein Ohr. «Der kriegt alle Damen rum, wart’s nur ab.» Mein Herz hob sich vor Dankbarkeit, rutschte aber gleich wieder ab, als ich mich umdrehte und Ezekiel Felcher sah, der ein zerknittertes Anzughemd und Khakis trug. Er roch sogar wie der Inbegriff eines Hinterwäldlers: Old Spice. Stark.
    «Felcher», sagte ich. «Ezekiel. Schön, dich heute Abend hier draußen zu sehen.»
    «Schön», erwiderte er, «die hübsche Willie Upton zu sehen. Offenbar hast du beschlossen, mir endlich mein Bier auszugeben.»
    Peter beobachtete uns und zwinkerte mir zu, bevor ich antworten konnte. «Die Drinks gehen heute auf mich»,

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