Die Monster von Templeton
hinter mir hörte. Ich schloss die Augen, zog die Schultern zusammen, holte tief Luft. Ein Finger in einem Lederhandschuh berührte mich ganz sanft am Kinn. Und als ich die Augen öffnete, einer Ohnmacht nah, schaute ich in das lächelnde Auge von Nat Pomeroy.
Sie, die mein Herz so gut kennen, werden verstehen, welche außerordentliche Enttäuschung dies war. Oh, Cinnamon. Erstens, weil ich einen anderen erwartet hatte. Und zweitens war ich doppelt enttäuscht, denn für die klitzekleine Dauer eines Atemzugs wurde mir bewusst, was dieses Wochenende wirklich zu bedeuten hatte: Susanna machte sich ein Spiel daraus, mich mit ihrem verarmten Liebhaber Nat zu verheiraten. Bestimmt hatten sie den Plan kichernd ausgeheckt, in dem Glauben, es würde ihm schon gelingen, die hässliche alte Jungfer zu bezirzen, wenn er ihr nur genügend Aufmerksamkeit schenkte, sodass sie ihm auf ewig dankbar wäre. Und dann, wenn sie erst unter seinem Bann stünde und er sie heiratete, würde er ihr Geld an sich
raffen, um seiner schönen Susanna in aller Ruhe den Hof machen zu können.
Oh, was sind die Menschen böse, böse! Ich hatte alles durchschaut. Ich sagte kein Wort, drehte mich um und floh auf mein Zimmer. In jener Nacht brannte eines der Außengebäude bis auf die Grundmauern nieder, und alle Männer wurden gebraucht, um den Brand zu löschen – erst bei Morgengrauen kehrten sie zurück, zitternd in ihrer durchnässten Kleidung stampften sie über die Böden. Als schließlich alle in ihre Betten gefallen waren und der Zeitpunkt gekommen war, an dem dies schicklich war, hinterließ ich eine Nachricht, in der ich erklärte, ich müsse wegen dringender Geschäfte nach Templeton, und fuhr in meiner kleinen Kutsche über die Hügel der East Lake Road zurück, mein Taschentuch fest in beide Hände gepresst.
Und noch ein Geständnis: Ich bin verzweifelt. Vielleicht war ich ja doch zu voreilig in meiner Behauptung, niemals heiraten zu wollen. Vielleicht habe ich ja wirklich den Versuch unternommen, mit Mr. Le Quoi zu schäkern, aber im Grunde hat man es mir kaum angemerkt. Er ist so charmant, wenngleich nicht so gut aussehend, dass alle Frauen versuchen, mit ihm zu tändeln, doch ich klebe bloß in meiner Ecke, während Bertha oder Minnie kichern und plaudern und ihn solch galante Dinge sagen lassen. Ja, vielleicht beginnt er ja wirklich, sich einen Weg in mein Herz zu erschleichen. Bitte erwähnen Sie all das niemandem gegenüber. Wahrscheinlich werden Sie über mich lachen. Bitte tun Sie es nicht. Ich bin nicht wie Sie, Cinnamon: Ich weiß, ich bin unansehnlich und ernst und schüchtern. Vielleicht könnten Sie mir ja beibringen, wie man tändelt, wie man sich selbst so anziehend macht wie nur möglich. Bitte lachen Sie nicht. Ich möchte es wirklich lernen, recht verzweifelt will ich es, und Sie wären die perfekte Lehrerin für mich. Glauben Sie, Sie könnten es?
Mein Gesicht brennt vor Verlegenheit. Ich werde diesen Brief beenden
und an Sie senden, in der Hoffnung, Sie mögen nicht allzu sehr über mich lachen.
Mit großer Zuneigung
Charlotte Temple
***
Averell Cottage, Templeton
5. Dezember 1861
Meine liebste Charlotte,
Sie haben mir eine große Freude bereitet! Endlich ist da ein Vorhaben, das sich lohnt – wie oft schon habe ich mir gewünscht, Ihnen hie und da eine kleine Verbesserung vorschlagen zu dürfen, denn wenn ich eines gut kann, dann ist es, mich für Männer ansprechend zu machen – und ich bin mir sicher, wenn ich erst mit Ihnen fertig bin, stehen Sie kurz vor Ihrer Hochzeit. Ja, ich gebe Ihnen sogar Brief und Siegel darauf! Doch zuerst einmal muss ich Sie rügen; reißen Sie sich Ihre alberne Zuneigung für jenen kahlen alten Franzosen aus dem Herzen – er ist so deutlich unter Ihrem Stand, dass Sie ihn kaum wahrnehmen dürften, selbst in bester Gesellschaft nicht. Oder nein – wenn ich mit Ihnen fertig bin, werden Sie einen Prinzen geehelicht haben! Wir werden uns den angesehenen Ruf Ihrer Schwestern in der Gesellschaft zugutekommen lassen – und Sie werden eine ausgezeichnete Partie machen!
Ich habe gründlich darüber nachgedacht, und hier kommen nun meine Ratschläge. Befolgen Sie sie, so gut Sie können.
Äußeres:
1. Haare. Meine Liebe, wir müssen unbedingt etwas bezüglich Ihrer Frisur unternehmen. Obwohl Sie mit achtzehn überaus charmant aussahen mit dieser Masse von langen Locken, die Ihr Gesicht einrahmen,
haben Sie ein sehr junges Gesicht, und jene überholte Frisur dient heute nur noch
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