Die Monster von Templeton
dazu, Sie kindisch aussehen zu lassen. Ziehen Sie in Erwägung, Ihr Haar im Nacken hochzustecken, es etwas zu kürzen und einzelne Löckchen rund um Ihre Wangen hervorspitzen zu lassen.
2. Kleidung. Wir müssen Sie unbedingt aus dem Schwarz herausbekommen, meine Liebe. Obwohl ich durchaus verstehe, dass Sie noch um Ihren Vater trauern, wagt es kein Mann, sich einer Frau zu nähern, deren ganzes Herz einem Toten gehört. Wer weiß das besser als ich! Ihre Farben sind Purpurrot oder Dunkelgrün. Zina Mix ist Templetons beste Schneiderin, aber Sie müssen Ihre Schwestern bitten, Ihnen die neuesten Schnitte aus Europa zu schicken. Außerdem bestellen Sie sich Halbschuhe – Sie können einfach nicht solch klobige Stiefel tragen, wie Sie es tun, und dann von einem Mann Komplimente für Ihre zierlichen Füße erwarten.
3. Schmuck. Meine Liebe, im tiefsten Inneren ihres Herzens sind Männer immer noch die kleinen Knaben, die aus Stecken Burgen bauen und eine Uhr auseinandernehmen, um zu sehen, wie sie funktioniert. Sie sind fasziniert von glitzernden, klirrenden Dingen. Ohrringe, die baumeln und bimmeln wie kleine Glöckchen, das sind Ihre Freunde – Armreifen, die bei jeder Bewegung klingeln und die Umgebung mit ihrer Musik erfüllen. Dennoch muss es diskret sein – sonst rasseln Sie wie ein ganzer Schellenbaum.
Tändeln :
Wir werden Ihre natürliche Schüchternheit nicht bekämpfen, sondern mit ihr arbeiten, denn würden Sie gegen sie angehen, wären Sie nur voller Künstlichkeit. Und Künstlichkeit kennen Sie ja, denn Sie kennen Susanna Clarke und wissen, dass sie überhaupt nicht anziehend ist.
1. Wenn ein Mann ein Zimmer betritt, gestatten Sie es sich zu erröten. Nun weiß ich zwar, dass man sein Erröten nur wenig steuern kann, doch Sie verstecken Ihre Wangen gewöhnlich, indem Sie den Kopf so
weit senken, dass Ihr Haar sie bedeckt, oder Sie stellen schnell eine Frage, um die Aufmerksamkeit auf etwas anderes zu lenken. Halten Sie stattdessen den Kopf hoch, schicken Sie ein kleines, vertrautes Lächeln in die Runde, und versuchen Sie mit allen Mitteln, den Mann Ihrer Wahl dabei nicht anzusehen. Es wird deutlich sein, dass es genau das ist, was Sie tun wollen – gut so!
2. Wenn er nur mit Ihnen spricht, so schauen Sie auf seine Lippen oder seine Augen – Sie dagegen haben die Tendenz, einem Mann auf den Kragen zu starren, wenn Sie unter vier Augen mit ihm sprechen. Beißen Sie sich zart auf die Lippen, werfen Sie ihm ein schüchternes Lächeln zu, und versuchen Sie genau die Haltung einzunehmen, die er beim Sitzen auf dem Stuhl oder im Stehen zeigt, wobei Sie darauf achten sollten, es damenhaft aussehen zu lassen – ein jeder liebt es, in einen Spiegel zu blicken, selbst wenn es ihm gar nicht bewusst ist.
Wenn Sie all diese Punkte gemeistert haben, werden Sie auf dem besten Wege sein. Dann werde ich Ihnen beibringen, wie man ein Liebesbrieflein schreibt, wie man ein vertrautes Stelldichein verabredet (seien Sie nicht schockiert – alle tun das!), wie man sein Dienstmädchen dazu bringt, ein Geheimnis zu bewahren, etcetera.
Ich hoffe, dies war nicht allzu viel. Mir ist einzig und allein an Ihrem Glück gelegen! Bitte schreiben Sie mir so bald als möglich, wenn Sie einige dieser Kunstgriffe angewandt haben. Und machen Sie sich im Übrigen keine Gedanken mehr über diese dumme Susanna Clarke und ihren Liebhaber. Sie sind nicht besonders feinsinnig und deshalb auch nicht gefährlich.
In Liebe
Ihre Cinnamon Averell Graves
***
Aus der Feder von Charlotte Temple, Franklin House, Blackbird Bay, Templeton
Neunter Dezember 1861
Liebe Cinnamon,
danke für Ihre freundlichen Ratschläge. Ich muss zugeben, ich bin überwältigt von all den Veränderungen, denen ich meine Person und mein Verhalten unterwerfen muss. Ich wusste nicht, dass an mir so viel verbesserungswürdig war. Bei meiner Schwester Marguerite habe ich die Schnitte und die Halbschuhe bestellt. Ich bin mir keineswegs sicher, dass ich es in der Kunst des Tändelns irgendwann tatsächlich zur Meisterschaft bringen werde, aber ich will es versuchen.
Außerdem fürchte ich, dass es mir nicht gelingen wird, Monsieur Le Quoi aus meinem Herzen zu verbannen. Ich habe es versucht. Doch am Sonntag sah ich ihn dann in der Kirche, und seine Augen blickten so freundlich, dass ich ihn in meiner Nähe haben wollte. Bitte sagen Sie mir, dass Sie mir helfen werden, selbst wenn er der Gegenstand meiner Bemühungen ist. Bitte.
Ihre Freundin
Charlotte
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