Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Monster von Templeton

Die Monster von Templeton

Titel: Die Monster von Templeton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Groff
Vom Netzwerk:
Minnie Phinney und die Foote-Mädchen, Bertha und Bettina, Busenfreundinnen von Susanna. Auf männlicher Seite geladen waren Nat Pomery, Solomon Falconer, Peter Mahey, Dr. Spotter mit seinen feuchtkalten Händen und blinzelnden Augen sowie sein neuer Französischlehrer, Monsieur Le Quoi.
    Am ersten Abend geschah nur wenig. Wir kamen an, richteten uns in unseren Zimmern ein, zogen uns zum Abendessen um, spielten Whist, lauschten der armen Minnie Phinney, die sich am Piano abrackerte, und gingen dann schnurstracks zu Bett.
    Als wir am nächsten Morgen aufgestanden waren und gefrühstückt hatten, machte jemand den Vorschlag, da wir nun schon einmal hier draußen seien, könnten wir einen Rundgang durch das Anwesen machen. Alle waren aufs Herzlichste einverstanden, und so verbrachten wir zwei angenehme Stunden an der frischen Luft. Susanna, müssen Sie wissen, liebt es, draußen zu sein, und obwohl einige von uns Damen schon am Erfrieren waren, drängte sie uns immer weiter. Und es war auch sehr schön. Der früh gefallene Schnee war getaut und der Boden fest und hart; die Bäume waren erfüllt vom Wispern des Windes in den Zweigen, und unsere Füße machten wundervolle Geräusche auf den trockenen Blättern. Irgendwie hatten wir uns auf halbem Wege des Spaziergangs zu kleinen Grüppchen zusammengefunden;
George ging mit Bettina, Susanna mit Nat (skandalös!), Solomon mit Minnie, Doktor Spotter mit Bertha, Peter Mahey mit Susannas flinken kleinen Terriern. Blieb nur noch Monsieur Le Quoi, der sich zurückfallen ließ und mir seinen Arm bot.
    Ich muss Ihnen übrigens widersprechen: Er riecht überhaupt nicht wie ein alter Mann; sein Duft ist frisch, wie nach Gurken, keine Spur von «altem Fleisch», wie Sie behaupteten. Sein Lächeln ist freundlich und seine Manieren vorbildlich, ganz ähnlich wie bei meinem Vater. Und, Cinnamon, wir haben uns prächtig amüsiert. Er sprach über seine Familie in Frankreich (er ist der Sohn eines Marquis; wenigstens hier sind die Gerüchte wohlbegründet!), über seine liebenswerten und klugen Schüler, sein abenteuerliches Leben – er hat so allerhand ausprobiert und gehörte einmal sogar einem Jesuitenseminar an. Ich berichtete von den frühen Reisen meiner Familie nach Frankreich. Augenscheinlich haben wir eine ganze Menge gemeinsamer Bekannter.
    Ich vergaß meine kalten Hände und Füße und bedauerte es ein wenig, als wir umkehrten, die Männer ihre Begleiterinnen wechselten und ich mich am Arm von Nat Pomeroy wiederfand, jenem gedankenlos vor sich hinplappernden, wenngleich gut aussehenden Lebenskünstler. Er musterte mich amüsiert von der Seite und rauchte den ganzen Weg zurück nach Hyde Hall.
    Den Nachmittag über saßen die anderen Damen und ich zusammen im Salon. Ich versuchte zu lesen, doch Susanna redete unablässig auf mich ein, wobei sie so beständig auf das Thema Akademie zurückkam, dass ich mich in meiner Vermutung bestätigt fühlte, bei diesem Wochenende gehe es in erster Linie um Spendengelder für die Schule. Susanna machte mich wahnsinnig, und schließlich zog ich mich für die Stunden vor dem Dinner auf mein Zimmer zurück. Man stelle sich meine Überraschung vor, als ich auf meinem Nachtkästchen eine blühende rosa Rose sah, eine Rose aus dem Wintergarten von Hyde Hall. Daneben lag eine kleine Karte, auf der stand: Von einem Bewunderer. Mein Herz pochte so sehr, Cinnamon. Ich fand keine Ruhe.
    Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, dass ich beim Abendessen kaum zu sprechen wagte, aus Angst davor, mit meiner Überraschung über die Rose herauszuplatzen. Und wie dankbar war ich, dass es den ganzen Abend Musik und Tanz gab und Bettina mit Freuden Minnies Platz am Klavier einnahm. Da mehr Männer da waren als Frauen, ließ ich keinen einzigen Tanz aus. Drei Tänze absolvierte ich mit Solomon Falconer, der mich so sehr an meinen Vater erinnert – natürlich nur körperlich, denn moralisch gesehen ist der Mann eine Zumutung –, zwei mit Nat, zwei mit George, einen mit Dr. Spotter und einen mit Monsieur Le Quoi.
    Schließlich legte ich doch eine kleine Pause ein, als Dr. Spotter Mr. Le Quoi in eine Ecke zog und ein Gespräch mit ihm begann und ich rasch hinausschlüpfen konnte, um mich etwas abzukühlen. Ich schlenderte in den Gärten umher, die einen prachtvollen Anblick boten, so silbrig und unheimlich im Mondenschein, wie die Gärten von halb guten, halb bösen Feen. Gerade schaute ich zum See, der wie eine längliche Schiefertafel vor mir lag, als ich Schritte

Weitere Kostenlose Bücher