Die Moralisten
Cesares Wagen blieb er stehen und sah Barbara an.
»Wollen Sie hier lange bleiben, Miss?« fragte er.
»Nein, nicht lange. Mein Bekannter muß beim Gericht nur etwas abholen.« Der Polizist nickte und ging weiter. Der Lärm hinter dem Gebäude steigerte sich.
»Was ist denn da los?« rief Barbara dem Beamten nach.
»Das ist am Foley Square. Drüben beginnt heute vormittag der große Gangsterprozeß.«
Cesare ging in das Anmeldezimmer im Parterre. Als der Portier am Empfangstisch ihn fragend ansah, sagte er: »Ich bin Cesare Cardinali. Ich will meine Papiere für die Naturalisation abholen.«
Der Portier nickte. »Die vorläufigen, nicht wahr?«
»Ganz recht.«
Der Mann blätterte in einer Kartei, zog eine Karte hervor, sah Cesare wieder an und sagte: »Nehmen Sie doch bitte Platz, Mr. Cardinali. Es wird etwa zehn Minuten dauern.«
Cesare lächelte. »Fein.« Und nach kurzem Zögern: »Ist hier in der Nähe eine Toilette?«
Der Portier deutete auf die Tür. »Am Ende des Korridors, linke Seite.«
»Danke«, sagte Cesare.
Er ging den Korridor entlang, blieb vor dem Waschraum für Männer stehen und sah sich unauffällig um. Niemand beobachtete ihn. Schnell ging er an der Tür vorbei und öffnete eine andere mit der Aufschrift »Treppe«. Er schloß sie hinter sich und eilte die Stufen hinauf.
Die schwarze Limousine hielt vor dem Gerichtsgebäude, und sofort drängte sich die Menge an den Wagen heran. Der Sonderbeauftragte vom FBI, George Baker, blickte von seinem Sitz neben dem Zeugen durchs Fenster, wandte sich dem Mann wieder zu und sagte: »Sie haben ja mächtige Zugkraft.«
Dinky Adams, der Zeuge, ein langer Kerl mit einem Pferdegesicht, drückte sich ins Polster und zog seinen Hut tief in die Stirn. »Dicke Sache, ja«, knurrte er. »Mein Leben wird keine zwei Cent mehr wert sein, sobald die wissen, daß ich als Zeuge auftrete.«
»Kein Mensch wird Sie belästigen«, beruhigte Baker ihn.
»Wir haben versprochen, Sie zu beschützen, und bisher haben wir unser Wort immer noch gehalten.«
Der Polizeitrupp eines Bereitschaftswagens schirmte die Limousine ab. Captain Strang beugte sich vor. »Okay. Gehen wir.«
Baker stieg zuerst aus, nach ihm drei Detektive. Auf ein Kopfnicken Bakers verließ der Zeuge den Wagen.
Das Raunen der Menge wurde stärker, als die Leute erkannten, um wen es sich da handeln mußte. Die Detektive und Polizeibeamten nahmen Dinky Adams in die Mitte und bahnten sich einen Weg durchs Gedränge. Sie reagierten nicht auf die Fragen der Fotografen und Reporter, sondern gingen unbeirrt weiter, die Vortreppe hinauf, ins Gebäude und dann den Korridor entlang.
»Hier herum«, befahl Strang. »Wir haben einen Fahrstuhl freihalten lassen.«
Sie folgten dem Captain in einen leeren Lift. Sofort schlossen sich die Scherentüren, die Kabine setzte sich in Bewegung. Die Spannung schien sich zu lösen. Baker blickte Strang an. »Na, wir haben es geschafft«, sagte er lächelnd.
Strang nickte, ebenfalls erleichtert. »Das Schlimmste ist überstanden. Nun müssen wir noch oben durch die Reporter.«
Adams blickte seine Beschützer an. Sein Gesicht war bleich und verriet Angst. »Ich werde den ganzen Rest meines Lebens Zeit haben, euch zu gratulieren. Falls ich überhaupt so lange lebe.«
Das Lächeln verschwand auf Bakers Miene.
Cesare trat im ersten Stock aus dem Treppenschacht, ging um eine Ecke und drängte sich geschickt bis zu den Fahrstühlen durch. Er blickte über die Menge hinweg zur Doppeltür des Gerichtssaals. Dort standen zwei Polizisten. Er zog die rechte Hand im gefütterten Ärmel seines Mantels hoch, bis er das kalte Metall des Stiletts an den Fingern fühlte.
Sein Herz begann stärker zu klopfen, und er hatte dasselbe Gefühl wie beim Autorennen, wenn er eine enge Kurve nahm und nicht wußte, ob er den Wagen auf der Fahrbahn halten konnte. Um ruhiger zu werden, atmete er tief.
Als die Tür eines Lifts aufging und die Menge dorthin drängte, rührte Cesare sich nicht. Er wußte, daß sie in diesem nicht waren, denn er war genauestens informiert.
Wieder öffnete sich eine Fahrstuhltür, und heraus kamen die Detektive und in ihrer Mitte der Zeuge. Rasch folgte ihnen Cesare und ließ sich von der Menge weiterschieben.
Die Reporter schrien wieder wild ihre Fragen, die unbeantwortet blieben. Blitzlichter flammten auf, als die Pressefotografen hochsprangen, um mit aller Gewalt ein Bild von dem Zeugen zu ergattern. Cesare konnte nur auf einen günstigen Zufall hoffen. Wenn
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