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Die Moralisten

Titel: Die Moralisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Nase.
    »Es ist mir ernst, Marja«, sagte er und drückte ihre Hand. Er drehte ihre Hand in der seinen herum und öffnete sie. »Und du hast für ein so junges Ding schon sehr hübsche Hände.«
    »Ich bin kein junges Ding«, entgegnete sie heftig. »Ich werde bald sechzehn.«
    »Tatsächlich?« fragte er überrascht. Die Zeit verstrich so schnell. Alle wuchsen hier in der Gegend so schnell heran. Bevor man sich umsah, waren sie verheiratet und über alle Berge.
    »Natürlich«, sagte sie. »Im Herbst.«
    »Kann mir denken, daß die Jungs in der Schule alle wild nach dir sind«, meinte er.
    Sie sah ihn verwundert an, aber diese Verwunderung war nur gespielt. »Was wollen Sie damit sagen, Mr. Rannis?« fragte sie harmlos.
    »Du weißt doch genau, was ich meine«, erwiderte er. »Nein, das weiß ich nicht, Mr. Rannis«, behauptete sie, während ein Schimmer von Übermut in ihren Augen funkelte. »Das müssen Sie mir erklären.«
    Er zog seine Hand mit der Schokolade zurück, gab die ihre frei und ging in den hinteren Teil des Ladens. Am Ende des Ladentischs angelangt, wo ihn die Auslage gegen den vorderen Teil des Ladens hin verbarg, rief er ihr zu: »Komm mal hierher, Marja, dann sage ich es dir.«
    Langsam ging sie zu ihm. Der Anflug eines Lächelns spielte um ihre Lippen. Sie trat ein Stückchen hinter die Auslage und blickte ihm ins Gesicht.
    Sein Gesicht war gerötet, und Schweißperlen standen über seiner Oberlippe. Es zuckte um seinen Mund, aber er brachte kein Wort heraus.
    Ihr Lächeln wurde deutlicher. »Was ist, Mr Rannis?«
    Seine Hand griff nach ihr. Ganz still stand sie da.
    Er strich leicht mit seinen Fingerspitzen vorn über ihre eng anliegende Bluse hin und suchte in ihrem Gesicht nach Anzeichen von Angst.
    Aber sie verriet keine. Sie rührte sich nicht einmal, um sich ihm zu entziehen. Statt dessen lächelte sie. »Ach, ja«, antwortete sie, »sie sind wild nach mir.«
    Ihre Augen blickten noch immer unverwandt in die seinen. »Manchmal gehe ich darauf ein. Manchmal auch nicht. Kommt darauf an, in welcher Stimmung ich bin.« Sie wandte sich um und rückte ein wenig von ihm ab. »Meine Schokolade, Mr. Rannis«, sagte sie und streckte ihre Hand aus.
    Ohne zu zögern gab er sie ihr. »Willst du mal sehen, wie sie die Zimmer hinten gestrichen haben?« fragte er.
    Sie antwortete ihm nicht, sondern sah ihn nur an, während sie das Schokoladenpapier aufriß und langsam in die Schokolade hineinbiß. »Wenn du mit nach hinten kommst«, raunte er erregt, »wenn du ein bißchen nett bist, vergesse ich auch die paar Dollar, die du mir schuldest.«
    Sie schluckte ein Stück Schokolade und sah ihn nachdenklich an. Dann drehte sie sich um und ging auf die Tür zu.
    »Marja!« rief er ihr mit flehender Stimme nach. »Ich gebe dir sogar ein bißchen Geld!«
    Sie blieb am Ladentisch mit der Marmorplatte stehen, nahm ihre Zigaretten und ein paar Streichhölzer und ging weiter zur Tür. Sie öffnete sie langsam.
    »Marja!« rief ihr der alte Mann nach. »Ich gebe dir alles, was du willst!«
    Sie blieb einen Augenblick stehen, ihre Hand auf der Klinke, bevor sie antwortete. Als sie dann zu reden begann, wurde ihm klar, daß sie sich ihre Antwort überlegt hatte.
    »Nein, Mr. Rannis«, sagte sie höflich mit ihrer etwas belegten Stimme, »für Sie bin ich noch nicht bereit.«
    Die Tür schloß sich hinter ihr, und der Laden kam ihm ohne das helle, leuchtende Gold ihres Haares seltsam leer und freudlos vor. Erschöpft, als habe er einen Kampf hinter sich, kehrte er ins hintere Zimmer zurück.
    2
    Die Junisonne prallte heiß auf die Straßen der Stadt; der Asphalt hatte sich in eine weiche Masse verwandelt, die heimtückisch an den Sohlen klebte und jeden Schritt zu einer Anstrengung machte.
    Marja zögerte einen Augenblick in der Tür des Ladens, bevor sie hinaustrat. Langsam zerkaute sie das letzte Stück Schokolade, während ihre Augen die Straße nach einem Lebenszeichen absuchten.
    Bis auf ein paar Kinder, die an der Ecke der Second Avenue spielten, war sie menschenleer. Ein Taxi jagte die Straße herunter und hinterließ bläuliche Spuren auf dem Asphalt.
    Die Schokolade war aufgegessen. Sorgfältig wischte sich Marja die Finger am Papier ab und warf es in den Rinnstein. Sie ließ die Zigaretten in eine kleine Handtasche gleiten und trat auf das Trottoir hinaus. Die Hitze und die Sonne trafen ihr Gesicht, und sie mußte blinzeln. Sie fühlte, wie ihr am ganzen Körper der Schweiß ausbrach. Einen Augenblick bedauerte

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