Die Morgengabe
doch nicht zu fassen! Ich
hatte sie ihr extra in eine Riesenpappröhre gesteckt, die mit rotem Band
zugeknotet war.»
«Aber sie hat sie nun mal verloren»,
sagte Quin und wiederholte in aller Kürze die Geschichte von den heißumkämpften
Pilzen. «Du wirst das Ganze also noch einmal schreiben lassen müssen.»
«Ja, gut, aber diese Woche geht das
nicht mehr – meine Sekretärin ist krank. Und nächste Woche reise ich für
vierzehn Tage nach Madeira, du kannst also die nächste Sitzungsperiode des
Gerichts vergessen.»
«Tja, das läßt sich nicht ändern»,
sagte Quin, und Dick Proudfoot dachte sich im stillen, wenn er wirklich Verena
Plackett heiraten wollte, so schien es kein sonderlich dringender Wunsch zu
sein. «Was tust du denn in Madeira?»
«Ich mache Urlaub», antwortete
Proudfoot. «Und ich werde ein bißchen malen. Deine Frau meinte, ich sollte
wieder anfangen.»
«Meine ...» Quin brach ab. Es wäre
ihm nie eingefallen, Ruth so zu bezeichnen.
«Na ja, sie ist doch deine Frau,
oder etwa nicht? Ich versteh sowieso nicht, wieso du sie unbedingt loswerden
möchtest – du mußt wirklich verrückt sein. Aber mich geht das ja nichts an.»
«Ganz recht», bestätigte Quin
freundlich. «Und ich warne dich, wenn sie wieder zu dir in die Kanzlei kommt,
dann sprich ja nicht von Sigmund Freud, sonst bekommt sie einen
Tobsuchtsanfall.»
«Auf die Idee käme ich gar nicht.
Ich versteh überhaupt nichts von diesem Zeug.»
«Na, dann
ist es ja gut. Ich wollte dich nur warnen.»
23
Paul Ziller machte Heini mit Mantella bekannt. «Er ist ein
sehr guter Agent. Ein bißchen aggressiv in seiner Art, aber das müssen diese
Leute sein. Warum gehen Sie nicht einmal zu ihm?»
«Arbeiten Sie auch mit ihm?»
Ziller schüttelte den Kopf. «Er ist
nur an Solisten und berühmten Musikern interessiert.»
«Aber Sie könnten doch als Solist
auftreten.»
«Nein. Ich bin ein
Ensemble-Musiker.» Ziller schwieg, in seine eigenen Gedanken vertieft. Bei
seiner Rückkehr ins Jewish Day Center hatte er dort zwischen den
Waschbecken einen ausgezehrten und heruntergekommenen Mann angetroffen, der
Cello spielte, und er spielte sehr gut. Er entpuppte sich als Milan Karvitz vom
Prager Kammerorchester, soeben aus Spanien zurückgekehrt, wo er mit den
Internationalen Brigaden gekämpft hatte ... und Karvitz seinerseits hatte den
Bratschisten vom aufgelösten Berliner Ensemble mitgebracht. Von da an
musizierten die drei zusammen, und es ging gut, auch wenn es im Garderobenraum
ein bißchen eng war. Allerdings war das Repertoire für Streichtrios begrenzt,
und nun hatte ein Mann aus Northumberland geschrieben, der dort als Chauffeur
arbeitete. Ziller kannte ihn dem Ruf nach – ein hervorragender Geiger, ein
Musiker, der sich nie in den Vordergrund drängte –, aber es kam nicht in Frage.
Niemals konnte er Biberstein ersetzen; niemals. «Auf jeden Fall», fuhr er fort,
sich aus seinen Gedanken reißend, «habe ich ihm von Ihnen erzählt. Suchen Sie
ihn doch einfach einmal auf.»
Mantella war zwar in Hamburg
aufgewachsen, doch von Geburt war er Südamerikaner, ein Mann mit olivfarbener
Haut, einem schwarzen Spitzbart und einem ausgeprägten Riecher für Begabungen. Heini, das sah er sofort, als
dieser sich am folgenden Tag in dem eleganten Büro in der Bond Street bei ihm
vorstellte, hatte Möglichkeiten. An seiner musikalischen Begabung gab es keinen
Zweifel; noch wichtiger war jedoch die Ausstrahlung des Jungen. Er rührte
einen. Doch selbst Mantella konnte für einen Pianisten, der in England
unbekannt und auf dem Kontinent noch nicht etabliert war, kein Konzert aus dem
Boden stampfen. Immerhin hatte er einen Vorschlag für Heini.
«Ende Mai findet hier ein wichtiger
Klavierwettbewerb statt. Unter der Schirmherrschaft von Boothebys – dem
Musikverlag. Nein, machen Sie nicht gleich so ein Gesicht. Da mag der Kommerz
dahinterstecken, aber die Preisrichter sind ausgezeichnete Leute. Kousselowski
und Arthur Hanneman und der Direktor des Amsterdamer Konservatoriums. Die
Russen schicken zwei Bewerber., und Leblanc aus Paris nimmt ebenfalls am
Wettbewerb teil.»
«Der ist sehr gut», sagte Heini.
«Ich sag Ihnen ja, es ist eine ganz
große Sache. Die Preise sind dank der kommerziellen Beteiligung beachtlich, und
die Presse interessiert sich auch schon für den Wettbewerb. Die Endausscheidung
findet in der Albert Hall statt – das BBC-Symphonieorchester hat sich bereit
erklärt, bei den Konzerten zu begleiten, aber das ist noch nicht
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