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Die Morgengabe

Die Morgengabe

Titel: Die Morgengabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Ibbotson
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alles!» Er
legte der Wirkung halber eine kurze Pause ein. «Jacques Fleury kommt extra aus
den Staaten herüber!»
    Das gab den Ausschlag. Fleury war
einer der einflußreichsten Konzertagenten überhaupt, mit Häusern in Paris,
London und New York. «Was für Konzerte werden verlangt? Ich könnte ein neues
einstudieren, aber ich habe nur ein ziemlich mieses kleines Klavier, und ich
würde lieber etwas spielen, das ich bereits studiert habe.»
    Mantella zog den Ausschreibungsprospekt
heraus. «Beethovens drittes, das erste von Tschaikowsky ... Rachmaninow Nummer
zwei ... und Mozarts G-Dur-Konzert, Köchelverzeichnis 453.»
    Heini lächelte. «Wirklich? Das
G-Dur-Konzert? Mit dem Starenlied? Das ist gut.»
    Mantella warf ihm einen scharfen
Blick zu. «Was meinen Sie, mit dem Starenlied?»
    «Dem Rondo im letzten Satz liegt
angeblich der Gesang eines Stars zugrunde, den Mozart besaß. Meine Freundin
würde sicher wollen, daß ich dieses Konzert spiele – ich habe sie immer so
genannt, meinen kleinen Star –, aber brillieren kann man damit nicht. Ich werde
den Tschaikowsky spielen.»
    «Moment mal – hab ich da nicht was
in der Zeitung gesehen? Hat Ihre Freundin als Kellnerin gearbeitet?»
    «Ja, stimmt. Sie macht das jetzt
auch noch, abends, aber nicht mehr lang; dafür werde ich sorgen.»
    «Jetzt erinnere ich mich – das war
eine Reportage über ein Café, in dem hauptsächlich Flüchtlinge verkehren. Ein
Bild war auch dabei – schönes volles Haar und eine Stupsnase.» Mantella drehte
seinen silbernen Bleistift zwischen den Fingern. Das Mädchen war sehr hübsch
gewesen – Mädchen mit kurzen Nasen waren meistens fotogen. «Ich denke, Sie
sollten den Mozart spielen.»
    Heini schüttelte den Kopf. «Es ist
zu einfach. Mozart hat das Konzert für einen seiner Schüler geschrieben. Ich
möchte lieber den Tschaikowsky spielen.»
    «Das Feuerwerk können Sie ja in den
Vorrunden steigen lassen. Sie dürfen sechs Stücke spielen und nur zwei davon
sind Pflicht, eine Händel-Suite und Beethovens Hammerklavier-Sonate. Sie können
die Jury mit Liszt, Chopin und Busoni blenden, ihnen zeigen, daß Ihnen nichts
zu schwierig ist. Und wenn's dann in die Endrunde geht, spielen Sie still und
ruhig den Mozart.»
    «Aber ...»
    «Glauben Sie mir, Heini, ich weiß,
wovon ich rede. Die Russen werden sich auf Tschaikowsky und Rachmaninow
stürzen, und da können Sie sie nicht schlagen. Außerdem läßt sich im Zusammenhang
mit dem Mozart die Geschichte von Ihnen und Ihrer Freundin verwenden, die Sie
Ihren Star nennen. Ich meine, wir wollen ja nicht nur gewinnen, wir wollen
Engagements für Sie sichern. Amerika ist gar nicht ausgeschlossen – ich habe
dort ein Büro.»
    «Amerika!» Heini riß die Augen auf.
«Davon habe ich immer geträumt. Sie meinen, Sie könnten mir ein Visum besorgen?»
    «Wenn das Interesse an Ihnen groß
genug ist. Fleury könnte das arrangieren, wenn er wollte. Also, hier sind die
Daten und die Teilnahmebedingungen. Sie müssen
eine Anmeldegebühr bezahlen, aber ich denke, die werden Sie aufbringen
können.»
    «Ja.» Die Bergers waren komisch in
ihrer Beziehung zu Dr. Friedlander, sie wollten partout nichts von ihm
annehmen, aber das war albern. Der Zahnarzt war musikalisch; er würde gewiß
gern helfen.
    «Gut.» Mantella stand auf, das
Gespräch war beendet. «Kommen Sie nächste Woche mit dem ausgefüllten Formular
wieder her – und bringen Sie Ihre Freundin mit.»
    Heini war selig. Als er bei Hart
& Sylvesters in der Bruton Street vorbeikam, blieb er stehen und starrte
ein Paar handgenähte Handschuhe an, die im Schaufenster ausgestellt waren.
Liszt war immer mit Glacéhandschuhen aufs Podium gekommen, die er dann zu Boden
fallen ließ, ehe er sich an sein Instrument setzte. Heini war froh, daß
Mantella Liszt erwähnt hatte – er würde die Dante-Sonate spielen; sie war
höllisch schwer, aber das war nur um so besser. Es war an der Zeit, daß das
Virtuosentum wieder Ansehen gewann. Leute wie Ziller waren ja ganz in Ordnung,
aber selbst die größten Musiker hatten nie etwas dagegen gehabt, auch ein wenig
zu brillieren.
    Ruth würde sich freuen, wenn sie
hörte, daß er beschlossen hatte, den Mozart zu spielen. Na ja, eigentlich hatte
es Mantella beschlossen, aber das brauchte man ja nicht zu sagen; wozu ihr die
Freude rauben. Und wenn es für sie beide Amerika bedeuten konnte! Sie würden
dort drüben heiraten – ihm hatte vor einer armseligen kleinen Hochzeit in der
Schäbigkeit von Belsize Park

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