Die Morrigan: Wild Roses, Staffel 1, Band 3 (German Edition)
Entscheidung presste sie beide Hände auf den Mund. Sie wollte sich nicht opfern, nicht für das Dorf, in dem sich ihre Mutter so fremd gefühlt hatte, nicht für die Menschen, von denen ihre Mutter in den Selbstmord getrieben worden war. Doch gleichzeitig war es auch das Dorf, in dem Alan lebte. Ihr Alan! Für ihn würde sie alles geben, auch ihr Leben.
Sie erreichte das Ufer des Sees und sank auf den weichen Moosteppich nieder. Die wilden Rosen beugten ihre Zweige über sie, als wollten sie sie vor allem Unheil beschützen. Angefüllt mit Angst und Entsetzen schlug Rose die Hände vor das Gesicht und schluchzte hemmungslos.
Sie wusste nicht, wie lange sie geweint hatte, als sie plötzlich eine Hand zwischen ihren Schulterblättern spürte. Jemand ging neben ihr in die Hocke. Es war Alan, er war ihr gefolgt. Sanft streichelte er ihr über den Rücken, eine hilflose Geste.
Rose nahm die Hände vom Gesicht und blickte ihn an. Auch ihm liefen Tränen über die Wangen. Sie wischte sie ihm sanft fort. Seine Haut war so warm, so weich. Seine Anwesenheit beruhigte sie, es war, also ob ein wärmendes Feuer von ihm ausging, das ihr ein Gefühl von Ruhe gab. Ihr Atmen ging langsamer, die Tränen versiegten. Alan zog sie an sich. Lange hielt er sie umschlungen, schweigend. Sie spürte sein Herz schlagen, sie hörte ihn atmen. Er gab ihr Halt, in den sie sich fallen lassen konnte. Langsam tastete sie sich mit ihren Lippen zu seinem Mund. Seine Lippen öffneten sich, und er stöhnte gequält auf. Rose schloss die Augen, genoss das Spiel ihrer Zungen. Zögernd wanderten seine Hände über ihren Körper, und wo sie seine Hände berührten, begann ihre Haut zu kribbeln. Fordernd zog sie Alan an sich. Er sah sie fragend an, aber sie wusste längst, dass auch sein Körper auf die Nähe reagierte.
„Bitte!“, flüsterte sie. Sie ließ sich zurücksinken, klammerte sich an ihn in dem Bewusstsein, dass dies das letzte Mal war, dass sie zusammenkamen. Sie würde der Morgana geopfert werden und sterben. Das Wissen um diese Tatsache ließ sie sich so lebendig fühlen wie noch nie zuvor. Sie wollte Alan, sie wollte ihn in sich aufnehmen und ihn nie mehr fortlassen, und als er mit aller Kraft in sie stieß, pochte und zitterte ihr ganzer Leib. Sie keuchte vor Verlangen und Schmerz gleichzeitig. Ihre beiden Körper brannten und wanden sich ineinander, bis es endlich vorbei war, bis sie erschöpft und schwer atmend nebeneinander lagen, über ihnen der Mond hoch am Himmel.
Nachdem er wieder zu Atem gekommen war, richtete sich Alan halb auf, stützte sich auf seinen Arm und musterte Rose mit schmerzerfüllter Miene. Auch wenn der Mond noch nicht voll war, schien er so hell, dass Rose die Falten zwischen Alans Augenbrauen sehen konnte. Sie hob ihren Arm und streichelte ihm mit dem Handrücken über die Wange. Ihre Tränen waren lange versiegt.
„Sie werden dich töten“, hauchte er. „Sie bringen dich um und sorgen dafür, dass die Göttin deine Hülle zu einem Monster werden lässt.“
Rose sah in seine sommerblauen Augen. Sie fühlte sich leer und bereits jetzt wie ein Geist. „Ja, sie werden mich töten.“ Es kostete sie Mühe, es auszusprechen. Sie würde sterben für das Wohl des Dorfes. Sie wusste es jetzt, und sie wehrte sich nicht mehr dagegen.
Alan setzte sich auf und zog sie an den Händen zu sich empor. „Du kannst nicht hierbleiben, ich würde es nicht überleben, dich zu verlieren! Wir fliehen! Auf der Stelle!“
Rose sah die Entschlossenheit in seinen wunderschönen Augen. Kurz gab sie sich dem Gedanken hin: Sie und er. Irgendwo weit fort von Erdeven. In Sicherheit.
Doch sie wusste, dass es ihnen nicht bestimmt war, miteinander glücklich zu werden. Wenn sie nicht auf dem Altar der Göttin starb, würden die Männer des Dorfes gegen die Römer einen aussichtslosen Kampf kämpfen. Sie würden einen blutigen Tod auf dem Schlachtfeld sterben, und die Frauen und Mädchen des Dorfes würden geschändet und versklavt werden. Alan würde nicht mit dieser Schuld leben können, ebenso wenig wie sie selbst. Es gab keinen Ausweg für sie.
Sie wusste es, und er wusste es auch. Sie sah es in seinen Augen, auch wenn er noch versuchte, sich gegen die furchtbare Erkenntnis zu wehren. Sie küsste ihn sanft auf die Lippen, dann stand sie auf und strich sich ihr Kleid zurecht. „Wir können nicht zulassen, dass sie diesen Krieg ohne Hilfe führen.“
„Aber dein Tod ist nicht die Lösung! Das kann nicht die Lösung sein!“
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