Die Morrigan: Wild Roses, Staffel 1, Band 3 (German Edition)
Fragend wandte er Glynis und Enora den Kopf zu. Er sah müde aus, und auch er schien leicht zu schwanken.
Rose lehnte den Kopf an seine Schulter. Tief sog sie seinen vertrauten Geruch ein.
„Sie erinnert sich an die Schlacht von Erdeven“, beantwortete Enora an Glynis’ Stelle Alans Frage. Sie hatte sich in der Zwischenzeit ebenfalls gesetzt, und ihre Lippen waren schmal vor Anspannung. „An den Tag, als Branwen den Fluch ausgesprochen hat.“
„Was ...?“ Er wurde noch bleicher. Mit einem heftigen Ruck löste er sich von Rose, drehte sich zum Kamin und schlug mit der Faust gegen den rosenverzierten Sims.
Wie ein Funke tauchte ein Bild in Roses Gedanken auf. Alan, der vor einem Kamin stand und in die Flammen starrte. Er trug ein weißes Hemd, einen schottischen Kilt und ein Plaid über der Schulter. Und sie spürte, dass sie sich gestritten hatten. Neben dem Kamin lag ein Degen, eine dünne, aber tödliche Waffe. Verwirrt schüttelte sie den Kopf und verscheuchte das Bild aus ihren Gedanken. Sie musste sich auf eine Zeit konzentrieren, und im Moment war dies das Jahr 56 vor Christus.
Während sie das Bild aus der Vergangenheit vor Augen gehabt hatte, hatte Alan den Unterarm gegen den Kaminsims gestützt und die Stirn darauf abgelegt. „Kann man das nicht verhindern?“, flüsterte er jetzt, ohne sich umzuwenden.
Glynis und Enora tauschten einen langen Blick, der Rose völlig rätselhaft war. „Es ist ein Zeichen von Morgana, Alan!“, behauptete Glynis. „Alles geschieht genau, wie es vorherbestimmt ist.“
Alan richtete sich auf. Sein Blick wanderte zwischen den drei Frauen hin und her. Er kämpfte mit sich, fand aber nicht die Worte, die er suchte. Sein Gesicht war schrecklich bleich, und Rose erschrak. Was hatte er nur? Sie suchte Glynis’ Blick und sah die Sorge in den Augen der älteren Frau. Alan schwankte kurz, dann machte er auf dem Absatz kehrt, holte tief Luft und verließ mit großen Schritten das Haus.
„Scheiße!“, murmelte Enora. „Normalerweise würde ich dir ja nicht raten, einem Mann hinterherzulaufen, weil das so entwürdigend ist.“
Rose wusste nicht, worauf sie hinauswollte.
„Geh ihm nach, Kind“, riet Glynis. „Ich fürchte, es geht ihm schlecht.“
Angst griff nach Roses Herzen. „Was hat er?“
„Er wird es dir selbst sagen, wenn er es für richtig hält!“
Rose nickte Glynis und Enora zu, dann folgte sie Alan. Ob ihm die Messerwunde, die Branwen ihm in Paris zugefügt hatte, plötzlich doch wieder zu schaffen machte?
Sie fand Alan bei den Wildrosenhecken am Ufer des Weihers. Rote Wildrosen. Ihre Gedanken wanderten in das Jahr 56 vor Christus zurück, zu den Stunden, in denen Alan sie genau an dieser Stelle geliebt hatte. Damals waren die Rosen noch weiß gewesen. Sie dachte an die Legende aus dem Buch, das sie gelesen hatte. Die Schlacht um Erdeven! Das Blut der sterbenden Keltenkrieger hatte die Rosen rot gefärbt. Die Schlacht, an die sie sich nicht erinnern konnte – noch nicht. Sie schob alle Gedanken an das Menschenopfer und die so weit zurückliegende Zeit von sich. Sie musste sich hier und jetzt um Alan kümmern, musste herausfinden, was er hatte.
Er saß im Moos unter den überhängenden Zweigen der Rose und starrte auf das Wasser hinaus. Hatte er sie gehört? Er rührte sich nicht.
„Alan.“ Sie legte ihre Hand auf seine Schulter.
Er versteifte sich. „Lass mich in Ruhe“, bat er leise. Seine Stimme klang dünn. Kraftlos.
Die Angst in Roses Herzen verdichtete sich. „Was hast du?“
Er antwortete lange nicht, und er rührte sich auch nicht. Endlich, nach einer halben Ewigkeit, sagte er: „Es tut mir so leid.“ Seine Stimme klang gepresst, schmerzlich.
Rose setzte sich neben ihn, blickte ihn an. Seine Haut war grau, er sah krank aus. Krank und gleichzeitig abweisend. Sie spürte, wie ihr bei seinem Anblick Tränen in die Augen stiegen.
Er sah es, und kurz biss er die Zähne zusammen. „Es ist alles in Ordnung. Ich will nur, dass es dir gut geht.“
„Es geht mir gut.“ Sie suchte seinen Blick. „Wenn du bei mir bist, kann ich alles ertragen.“
Alan zwang sich zu einem Lächeln. Es erreichte seine Augen nicht, in denen ein verzweifelter Ausdruck stand. Ein Ausdruck, ebenso verzweifelt wie damals ...
56 v. Chr.
Rose rannte. Ihr Kleid verfing sich in den Dornzweigen, doch sie beachtete nicht, wie es zerriss. Tränen rannen ihr über die Wangen.
Die Göttin hatte sie als Opfer gewählt! Vor Entsetzen über diese
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