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Die Moselreise - Roman eines Kindes

Titel: Die Moselreise - Roman eines Kindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns-Josef Ortheil
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arbeiten müssen. Ich sagte, dass ich mir das langweilig vorstelle, immerzu zu Hause zu bleiben und zu arbeiten und nirgendwo hin zu wandern, da aber sagte Papa, das Leben in seiner Kindheit und Jugend sei nicht langweilig gewesen, jedenfalls habe er es nicht als langweilig empfunden. Und dann sagte er noch, dass man es mit dem Reisen auch übertreiben könne. Heutzutage zum Beispiel würde viel zuviel gereist, viele Menschen seien ja nur noch unterwegs, und dieses ewige Unterwegssein sei dann beinahe noch langweiliger als das ewige Zuhausesein. Ich fragte Papa, ob wir es im Augenblick auch übertreiben würden mit dem Unterwegssein, Papa aber sagte, »neinnein«,
wir würden es nicht übertreiben. Wir wären jetzt nämlich nur noch einige Tage unterwegs, und dann würden wir in den Westerwald und später nach Köln fahren und dort würden wir uns von unserer Reise und Wanderung erholen und die ganze Reise und Wanderung noch einmal im Kopf nacherleben. Darauf aber komme es an: Die Reise noch einmal im Kopf nachzuerleben und sich richtig Zeit dafür zu nehmen, sie im Kopf nachzuerleben. Ich fragte Papa, ob er mit dem Nacherleben das Reisetagebuch meine, das ich im Westerwald und in Köln dann schreiben werde, und Papa sagte, »ja, genau«, das zum Beispiel meine er. Ich werde an dem Reisetagebuch arbeiten, und wir würden unsere Fotos entwickeln lassen und einkleben, und außerdem würden wir uns unsere Postkarten und all das anschauen, was wir während der Fahrt geschrieben und gezeichnet hätten, all das meine er mit dem Nacherleben.
     
    Von Sankt Aldegund bis nach Alf war es dann nur noch eine halbe Stunde, und in Alf haben wir eine Fähre genommen und sind auf der Fähre hinüber nach Bullay gefahren. Dort haben wir unser Quartier schnell in der Nähe des Bahnhofs gefunden. Es war eine sehr schöne Pension mit Namen »Pension Calliari«. Die Zimmer waren mit vielen alten Möbeln eingerichtet, und auch das Haus war ein großes, altes Haus, und Papa sagte, es sei ein beinahe »herrschaftliches Haus«. Neben dem herrschaftlichen Haus gab es sogar eine richtige Liegewiese mit einem kleinen Brunnen und Sonnenschirmen und Liegestühlen. Und da hat Papa vorgeschlagen, dass wir uns auf dieser Liegewiese etwas ausruhen,
etwas Gutes trinken und etwas lesen. Genau so haben wir es dann auch gemacht: Ich habe eine »Sinalco« getrunken, und Papa hat einen Sprudel getrunken, und dann haben wir beide etwas gelesen und uns ein wenig im Schatten unter den Liegestühlen ausgeruht.
    Postkarte 14
    Liebe Mama, wir wohnen hier in Bullay in einem herrschaftlichen Haus. Die Decken der Zimmer sind alle sehr hoch, und es gibt vor jedem Fenster lange Vorhänge, von der Decke bis zum Boden. Es riecht in dem Haus auch herrschaftlich, nämlich stark nach Zigarre und ein wenig nach Wein. Gerade ruhen wir uns auf der Liegewiese aus. Es ist schön, dass es Ferien gibt und man in den Ferien nicht arbeiten muss. Herzliche Grüße von Deinem Bub
    Nach dem Ausruhen sind wir dann über eine Eisenbahnbrücke noch einmal auf die andere Seite der Mosel gegangen. Auf der Eisenbahnbrücke fuhren die Züge ganz dicht neben uns her, und wir hatten einen schönen Blick auf Bullay. Wir sind dann einen Berg hinauf zur Marienburg gewandert, und ich habe Papa noch einmal etwas über das Wandern gefragt. Ich habe ihn nämlich gefragt, wann er eigentlich mit dem Wandern begonnen habe, und Papa hat geantwortet, dass er erst während des Studiums mit dem richtigen Wandern begonnen habe. Damals sei er neunzehn Jahre alt gewesen, und er habe damals während seines Studiums in Bonn einen guten Freund gehabt, mit dem er viel zusammen gewandert sei. Zusammen mit seinem Freund sei er den Rhein entlang gewandert, und auch die Sieg seien
sie entlang gewandert, und auch den Main und die Donau - die seien sie auch entlang gewandert, immer an großen und schönen Flüssen seien sie entlang gewandert. Ich fragte Papa, warum er denn immer an Flüssen entlang gewandert sei, und Papa hat geantwortet, dass an schönen Flüssen besonders schöne Orte und Städte liegen würden und dass der Anblick eines schönen Flusses sehr beruhige und sehr tief in die Seele gehe. An Flüssen und am Meer seien die Menschen meistens auch etwas ruhiger und besonnener, und das gefalle ihm eben, wenn Menschen ruhig und besonnen und nicht nervös und durchgerädert seien. Ich fragte Papa, ob er selbst oft in seinem Leben nervös oder durchgerädert gewesen sei, und Papa antwortete, »nein«, nicht sehr

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