Die Moselreise - Roman eines Kindes
oft, aber er sei manchmal zwar nicht nervös, wohl aber sehr unruhig gewesen. Vor allem als Soldat während des Krieges sei er eigentlich ununterbrochen unruhig gewesen, furchtbar unruhig, und er habe damals nicht einmal daran geglaubt, dass er diese furchtbare Unruhe wieder loswerden würde. Ich fragte Papa dann noch, ob er die furchtbare Unruhe denn jetzt losgeworden sei, und da antwortete Papa, »ja«, inzwischen sei er diese Unruhe wohl losgeworden.
Ich fragte Papa danach nichts Weiteres über die furchtbare Unruhe und den Krieg, weil ich weiß, dass Papa nicht gern über den Krieg spricht. Papa ist damals für einige Jahre Soldat gewesen, und ich weiß, dass er während dieser Zeit als Soldat viele, viele Fotos gemacht hat. Papa hat mir jedoch noch nie eines dieser Fotos gezeigt. (Als ich ihn später in Köln einmal gefragt habe, warum er mir seine Fotos aus
dem Krieg nicht zeigt und warum wir den Krieg nicht auch nacherleben, hat Papa gesagt, dass er den Krieg um keinen Preis nacherleben wolle und dass er sich nichts Furchtbareres vorstellen könne als den Krieg nachzuerleben. Ich habe dann nicht weiter nach den Fotos und nach dem Krieg gefragt, weil Papa sehr ernst geworden ist, als ich ihn nach den Fotos und nach dem Krieg gefragt habe.)
Von der Marienburg aus hatten wir eine wunderbare Aussicht auf das ganze Moseltal, und zwar auf beiden Seiten, denn die Mosel floss auf der rechten und der linken Seite des Berges, auf dem die Marienburg liegt. Papa hat mir erklärt, dass die Marienburg einmal ein großes Kloster und später eine Art Burg gewesen, danach aber verfallen sei. Wir haben uns die ganze Umgebung genau angeschaut, und Papa hat seine Karte hervor geholt und mir auf der Karte noch einmal die ganze Umgebung gezeigt, damit ich sehen kann, wie die Mosel hier bei Bullay eine große Schleife macht.
Als wir wieder zurück nach Bullay gegangen sind, hat Papa plötzlich von allein angefangen, vom Wandern zu erzählen, und er hat gesagt, dass er mit seinem Freund während des Studiums auch auf einem Fahrrad unterwegs gewesen sei. Dieses Fahrradfahren fiel Papa ganz zufällig ein, und so erzählte er mir davon, und er fragte mich, ob ich Lust habe, auch einmal eine kleine Strecke mit dem Fahrrad entlang der Mosel zu fahren. Ich fragte Papa, woher wir denn die Fahrräder nehmen sollten, da sagte er, dass er Fahrräder beschaffen werde, das werde er schon schaffen, das schaffe er.
Und da antwortete ich, dass ich sehr gern einmal mit dem Fahrrad ein Stück fahren würde. »Gut«, hat Papa gesagt, dann werde er sich um Fahrräder kümmern.
Als wir in Bullay waren, hat sich Papa gleich um Fahrräder gekümmert, und ich bin noch einmal auf die Liegewiese der »Pension Calliari« gegangen und habe dort auf Papa gewartet. Ich habe etwas mit einem Ball gespielt, und ich bin mit nackten Füßen in das Wasser des Springbrunnens gegangen, und als es nichts mehr zu spielen gab, habe ich weiter die »Fury«-Geschichten gelesen.
Es dauerte gar nicht lange, da kam Papa mit zwei Fahrrädern zurück, und er sagte, er habe die Fahrräder von dem Bahnhofsvorsteher von Bullay geliehen bekommen. Die beiden Fahrräder waren ganz schwarz und etwas schwer, und ich bin auf eines der Fahrräder gestiegen und auf der Straße vor unserer Pension hin und her gefahren. Das Fahren war sehr schön, aber ich musste sehr aufpassen, damit ich auch das Gleichgewicht hielt. Mein Fahrrad in Köln ist viel leichter und kleiner, und mit diesem Fahrrad ist es ganz einfach, im Gleichgewicht zu bleiben. Die schwarzen Fahrräder in Bullay aber waren sehr schwer, und am Anfang meines Fahrens auf diesen Fahrrädern bin ich etwas hin und her geschwankt. Papa hat gesagt, wir würden jetzt eine Abendfahrt mit dem Fahrrad machen, und dann sind wir an die Mosel gefahren und dann auf unserer Rädern ein kleines Stück an der Mosel entlang.
Weil es an der Mosel sehr flach war, kamen wir sehr schnell voran. Das Fahrradfahren war etwas ganz anderes als das Wandern, denn wir kamen beim Fahrradfahren ganz mühelos voran, ohne uns anzustrengen. Wir brauchten nur ein wenig in die Pedale zu treten, da rollten die Fahrräder schon beinahe von allein, und wir saßen dann auf den Rädern, als würden die Fahrräder mit uns davon galoppieren. Während der Fahrradfahrt dachte ich wirklich immer wieder, dass wir auf unseren Rädern auf und davon galoppierten, aber als ich das Papa später erzählte, meinte er, ich hätte wohl in meinen
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