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Die Moselreise - Roman eines Kindes

Titel: Die Moselreise - Roman eines Kindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns-Josef Ortheil
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essen den Käse fast immer am Abend zum Abendbrot. Wir frühstücken also entweder dunkles Brot mit etwas frischer Butter und ein klein wenig Marmelade, oder wir frühstücken Brötchen mit etwas frischer Butter und sehr viel Marmelade. In Köln haben wir drei oder vier verschiedene Marmeladen, und auch die bringen wir aus dem Westerwald mit. Die leckersten sind die Himbeer-Marmeladen, die Oma mit den Himbeeren aus Omas und Opas Garten selbst macht. Wir frühstücken nicht sehr lange, und Papa sagt, wir frühstückten viel kürzer als andere Familien. Einmal hat er auch gesagt, es gebe Familien, deren ganze Vormittage nur aus Frühstücken bestehen würden. Ich weiß nicht, ob er das ernst gemeint hat. Ich jedenfalls kann mir nicht vorstellen, wie man einen ganzen Vormittag lang frühstücken kann, ohne dass einem langweilig wird.

    Als wir mit den Fahrrädern losgefahren sind, habe ich wie gestern Abend fest in die Pedale getreten. Ich bin so schnell gefahren, dass Papa nicht hinterher gekommen ist. Das aber habe ich zuerst überhaupt nicht bemerkt. Ich bin gefahren und gefahren, und erst dann habe ich bemerkt, dass Papa überhaupt nicht zu sehen war. Ich habe dann gehalten und darauf gewartet, dass Papa kam. Papa aber kam erst nach einer Weile, und er sagte dann, ich solle nicht so schnell fahren, sondern mir die Kraft einteilen. Ich habe ihm gesagt, dass ich für das Radfahren keine Kraft bräuchte, weil das Fahrrad ja beinahe von allein laufe, Papa aber hat gesagt, das sei eine Täuschung, ich werde schon noch sehen, wie viel Kraft man zum Radfahren bräuchte.
     
    Ich bin dann etwas langsamer gefahren, aber Papa ist trotzdem sehr weit hinter mir geblieben, so dass ich ihn oft nicht mehr sehen konnte. Während des Radfahrens habe ich dauernd die warme und dann wieder die kalte und wieder die warme Luft gespürt. Es war, als würde ich durch kleine Wolken fahren, von denen einige sehr warm und andere sehr kalt waren. Die warmen und die kalten kleinen Wolken habe ich während des Wanderns überhaupt nicht bemerkt, jetzt aber, während des Radfahrens, habe ich sie andauernd bemerkt. Ich habe auch die Insekten und die Fliegen und die Mücken bemerkt. Wenn ich sehr schnell gefahren bin, sind mir immerzu irgendwelche Viecher ins Gesicht und manchmal sogar direkt ins Auge geflogen. Dann musste ich stehen bleiben, um die Viecher wieder aus dem Auge zu bekommen. Manchmal klebten sie auch in meinen Haaren und
oder an den Fingern, und einmal krabbelten sogar Ameisen meinen nackten Rücken hinauf. Da musste ich mein Hemd ausziehen, und dann habe ich mein Hemd geknotet und mir mit dem geknoteten Hemd auf den nackten Rücken gehauen, bis sie fort waren. Papa hat gelacht, und dann hat er wieder gesagt, ich solle endlich langsamer fahren. Wenn ich langsamer fahre, hat er dann noch gesagt, gebe es keine Mücken und Fliegen, und außerdem sei es sicherer, langsamer zu fahren, am Ende rase ich vor lauter Schnellfahren noch in die Mosel.
     
    Papa hatte Angst, dass ich in die Mosel rase, weil unser Weg wirklich sehr dicht an der Mosel entlang führte. Der Weg war etwas holprig und schmal, und mir fiel auf, dass es überhaupt keine Dörfer oder Orte mehr gab, sondern nur noch den Weg und links die Mosel und noch weiter links die Weinberge. Während des Fahrradfahrens konnte ich mir die Gegend aber nicht mehr richtig anschauen, stattdessen musste ich dauernd auf den holprigen Weg achten, und so habe ich fast die ganze Zeit lang auf den Weg vor mir geachtet. Als ich das bemerkt habe, habe ich verstanden, warum Papa so langsam gefahren ist. Papa hat nämlich nicht nur auf den Weg, sondern auch auf die Gegend geachtet, und als ich ihn später gefragt habe, ob das stimme, hat er »ja, natürlich« gesagt, und weiter hat er gesagt, dass das Radfahren einen eben auch ablenken könne und wir deshalb, weil das Radfahren einen oft ablenke, auch nur ein kleines Stück mit dem Fahrrad an der Mosel entlang fahren würden. Als Papa das sagte, hatte ich schon fast keine Lust mehr, mit dem Rad
weiter zu fahren, ich habe das aber nicht gesagt, sondern ich bin weiter gefahren, jetzt aber viel langsamer und dann genau so langsam wie Papa. Wir sind also schließlich dicht hintereinander an der Mosel entlang gefahren, und ich habe mir Mühe gegeben, nicht nur den Weg vor uns, sondern auch die Gegend um uns herum anzuschauen.
    Radfahren
    In Köln fahren Papa und ich oft mit dem Rad am Rhein entlang. Manchmal fahren wir auch über eine Brücke hinüber zum

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