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Die Moselreise - Roman eines Kindes

Titel: Die Moselreise - Roman eines Kindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns-Josef Ortheil
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Papa gefragt, woher er so viel über den Wein wisse, und Papa hat gesagt, dass er schon ein wenig über Wein gewusst habe, jetzt aber sehr viel über Wein wisse, weil er viel in dem Buch des Schriftstellers Stefan Andres über die großen Weine Deutschlands gelesen habe. Ich fragte Papa, ob ich auch etwas in diesem Buch lesen solle, Papa meinte aber, das sei nicht nötig, das meiste in diesem Buch sei »Wein-Chinesisch«, und dieses »Wein-Chinesisch« bräuchte ich in meinem Alter noch nicht zu kennen. Später bräuchte ich es aber vielleicht, später vielleicht, denn es könne ja sein, dass auch ich später so wie er Freude am Weintrinken habe und das Weintrinken so wie er genieße. Da antwortete ich, dass ich fest glaube, später einmal Freude am Weintrinken zu haben, jetzt aber natürlich noch nicht. Und wenn ich später Freude daran habe, dann sei es ja ganz einfach, sofort etwas über Wein zu erfahren. Ich brauche dann ja nur das Buch über die großen deutschen Weine aufzuschlagen, und dann wisse ich einfach alles über den deutschen Wein.

    Als es schon ganz dunkel war, sind wir dann in unser »Privatquartier« zurück gegangen, und wir haben beide sehr fest geschlafen. Dieser Tag war ein sehr schöner Tag, und wir hatten beide sehr viel erlebt, noch mehr als an den anderen Tagen, als wir auch schon sehr viel erlebt hatten.

30. Juli 1963

    Am nächsten Morgen zeigte Papa mir beim Frühstück die Karte von der Mosel, in die er manchmal hinein schaut. Dabei hat Papa mir die Strecke gezeigt, die wir an diesem Tag wandern wollten. Wir wollten an diesem Tag nämlich eine große Schleife der Mosel entlang wandern und mittags eine Rast in Sankt Aldegund machen. Von Sankt Aldegund wollten wir dann weiter nach Alf gehen, und in Alf wollten wir die Fähre hinüber nach Bullay nehmen. Papa meinte, dass wir schon am frühen Nachmittag in Bullay seien und
dass wir es deshalb noch schaffen könnten, am späten Nachmittag hoch auf die Marienburg zu gehen, die gegenüber von Bullay auf der Höhe liege.
     
    Weil wir so viel vorhatten, frühstückten wir etwas weniger als sonst, das war aber nicht schlimm, weil wir am Abend zuvor ja noch sehr spät etwas gegessen hatten. Wir waren also gar nicht hungrig, und weil wir kaum Hunger hatten, packten wir uns nur etwas Obst ein für unsere Wanderung und ließen die meisten anderen Frühstückssachen stehen.
     
    Es war wieder ein sehr warmer Sommertag, und als wir loszogen, brannte uns die Sonne ordentlich ins Gesicht. Papa war vom vielen Wandern schon sehr braun, das war aber kein Wunder, denn Papa wird sehr schnell braun, wenn die Sonne scheint. Schon wenn sie ein bißchen scheint, wird er gleich braun, während ich nur an den Händen braun werde, im Gesicht aber werde ich nicht so schnell braun wie Papa, sondern etwas langsamer, dann aber auch richtig.
    Das Braunwerden
    Wenn die Sonne scheint, wird Papa im Gesicht sehr schnell braun, und die Leute, die ihn nicht kennen, fragen ihn dann, ob er im Süden oder in Ferien gewesen sei. Ich dagegen werde, wenn die Sonne scheint, sehr schnell blond, das heißt, meine Haare werden blond und immer blonder, wie helles Stroh. Wenn die Sonne aber wieder verschwindet, werden meine Haare sofort wieder dunkler, während Papas Gesicht noch etwas braun bleibt.

    Als wir etwa eine Stunde gegangen waren, sahen wir auf der anderen Seite der Mosel eine große Ruine. Die Ruine stand direkt am Moselufer, und sie sah aus wie eine Kirche. Papa wusste nicht, was das für eine Ruine war, aber er hatte ja einen Führer dabei, in dem wir nachlesen konnten, was es für eine Ruine war. Wir setzten uns also auf das Mäuerchen, und Papa las, was in dem Führer über die Ruine geschrieben stand. Als er es durchgelesen hatte, sagte er mir, dass die Ruine ein früheres Kloster mit Namen Stuben sei. In diesem Kloster hätten im Mittelalter einmal viele Nonnen gelebt, mit der Zeit sei das Kloster aber verfallen und jetzt sei von dem ganzen Kloster kaum noch etwas zu sehen außer der alten Klosterkirche. Papa sagte, dass die alte Ruine ein »malerischer Anblick« sei, und als er das sagte, wusste ich gleich, dass wir unsere Wanderung nun unterbrechen würden, weil Papa die Ruine zeichnen wollte. Genau so kam es denn auch: Papa zeichnete die Ruine, und ich lief ein wenig auf dem Mäuerchen entlang und ging hinunter an das Ufer der Mosel und ließ die Steine über das Wasser flitzen.
    Wenn Papa zeichnet
    Wenn Papa sich etwas anschaut, bleibt er manchmal stehen und

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