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Die Mütze

Die Mütze

Titel: Die Mütze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wladimir Woinowitsch
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überschlagender Stimme. »Du weißt doch, daß vormittags meine goldene Zeit ist, daß ich vormittags arbeite.«
    Er knallte den Hörer hin, um ihn eine halbe Minute später wieder aufzunehmen. »Entschuldige, ich bin aus der Rolle gefallen«, sagte er.
    »Kann Vorkommen«, meinte Baranow großzügig. »Übrigens, in der Poliklinik haben sie einen neuen Psychiater, Kandidat der medizinischen Wissenschaften Berkowitsch.«
    Efim überhörte die Andeutung und fragte, was Baranow eigentlich über die Mützen wisse. Bereitwillig erklärte dieser, daß laut Beschluß der Verwaltung des Literaturkombinats die Schriftsteller ihrem Rang entsprechende Mützen bekommen sollen. Die bedeutenden Schriftsteller welche aus jungem Rentier, die sehr bekannten solche aus Bisam, die bekannten aus Murmeltier...
    »Verstehst du«, erläuterte Baranow, »die bedeutenden Schriftsteller sind die Sekretäre des Schriftstellerverbandes der UdSSR, die sehr bekannten - Sekretäre des Schriftstellerverbandes der Russischen Föderativen Republik und die bekannten - das ist die Moskauer Sektion. Zu den bekannten können nicht bloß Sekretäre, sondern auch einfache Schriftsteller gehören ...«
    »Wie du und ich«, soufflierte ihm Efim und lächelte in den Hörer.
    »Aber ich bitte dich!« Die kalte Dusche ließ nicht auf sich warten. »Was sind wir beide schon für Schriftsteller! Wir sind
    Mitglieder des Schriftstellerverbandes. Schriftsteller sind ganz andere Menschen. Die kriegen vielleicht Fuchs oder Marder, ich kenne mich in Pelzen nicht aus. Für uns ist Kanin genau das Richtige.«
    Efim mußte zugeben, daß die Hierarchie des Schriftstellerverbandes wirklich so aufgebaut war, aber trotzdem war es eine Dreistigkeit von Baranow, sich mit ihm zu vergleichen, und das sollte eigentlich gesagt werden. Aber er beherrschte sich und sagte nichts, denn im großen und ganzen hatte Baranow ja recht. Nachdem er elf Bücher geschrieben hatte, wußte Efim ganz genau, daß die Obrigkeit ihn, selbst wenn er hundertelf schreiben würde, stets als letzten auf die Liste setzen, ihm das schlechteste Zimmer im Kurheim für Kulturschaffende anweisen, ihm niemals ein Abonnement für die Zeitschrift Amerika gönnen, kein Foto zu irgendeinem Jubiläum genehmigen und ihn nun selbstverständlich mit der schäbigsten Mütze bedenken würde. Eine solche Position hatte ihre eigenen, für Außenstehende verborgenen, für ihn jedoch offenkundigen Vorteile: Niemand beneidete ihn, niemand wollte ihn von seinem Platz verdrängen. Und er konnte im stillen seine Romane über gute Menschen produzieren, einen nach dem anderen.
    Deshalb wollte er jetzt keine Diskussion mit Baranow anfangen und meinte: »Mögen doch die um eine Mütze kämpfen, die nichts zu tun haben.« Er besaß bereits eine Mütze aus Wolfsfell, die ihm im letzten Jahr die Rentierzüchter geschenkt hatten.
    Er legte auf, trug das Telefon in das andere Zimmer hinüber und legte ein Kissen darauf, um nicht gestört zu werden, kehrte zu seiner Schreibmaschine zurück und begann, wie geistesabwesend, mit rasender Geschwindigkeit zu tippen, ohne auf den Inhalt zu achten. Er schrieb: Im Literaturkombinat werden an die Schriftsteller Mützen verteilt. Möglicherweise sogar gute Mützen. Aber ich brauche keine, denn ich habe bereits eine Mütze. Ich habe eine sehr gute Mütze. Ich habe eine Wolfsmütze. Sie ist warm, sie ist weich, und eine andere Mütze brauche ich nicht. Sollen doch andere um ihre Mützen kämpfen. Ich habe genug zu tun, und eine Mütze habe ich auch. Ich habe eine ganz neue Wolfsmütze. Sie ist weich, sie ist warm, sie ist gut. Und sie können ihre Mützen behalten. Ich brauche sie nicht. Sie können sie behalten, sie können sie aufessen, sie können an den Mützen ersticken, wenn sie die Mützen nicht kauen können.
    An dieser Stelle hielt er inne, überflog das Geschriebene und wunderte sich. Ähnliches kannte er schon von früher. Es war schon öfter vorgekommen, daß er außer sich geriet und dabei schrieb, aber gewöhnlich stand das Geschriebene in irgendeinem Zusammenhang mit dem in Arbeit befindlichen Roman. Diesmal war es der reinste Unsinn. Aufs äußerste verblüfft verzog Efim den Mund, schüttelte den Kopf und schob das Blatt unter einen Stoß alter Entwürfe, die rechts neben der Maschine lagen. Hier sollte das Blatt später gefunden und gelesen werden. Und ausgerechnet dieser Text sollte den Kritiker Sorokin veranlassen zu behaupten, Rachlins Talent sei nicht genügend gewürdigt

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