Die Mütze
worden. Hier aber darf nicht verschwiegen werden, daß Efim selbst dieses Opus nicht gebührend gewürdigt hatte: Er spannte ein neues Blatt ein und schrieb weiter über Kapitän Kolomijzew, der im Sturm seine Mütze festhalten mußte, damit sie nicht über Bord flog.
Plötzlich fiel ihm auf, daß er schon wieder »Mütze« geschrieben hatte. Er ärgerte sich, strich »Mütze« aus und schrieb »Schirmmütze mit der ausgebleichten Krabbe«. Kapitän Kolomijzew stand mitten im Sturm und hielt die Schirmmütze mit der ausgebleichten Krabbe fest. Wesentlich besser. Aber der Kapitän allein war zuwenig. Der Hauptheld mußte gleich am Anfang in die Handlung eingeführt werden, und schon ging er (wohin er ging, war Efim noch nicht ganz klar) an Kapitän Kolomijzew vorbei.
»Doktor!« rief der Kapitän.
»Zu Diensten, Sir!« antwortete gutgelaunt der Arzt und lüftete, der Gewohnheit des alten Intelligenzlers getreu, seine Mütze.
»Hol's der Teufel!« Efim spuckte aus und schlug sich aufs Knie. »Schon wieder Mütze.«
Er zog auch dieses Blatt aus der Maschine und hatte schon das neue in der Hand, als das Telefon klingelte.
»Hör mal«, sagte Baranow, »ich habe deine Lawine gelesen. Einfach genial!«
So etwas hatte Baranow noch nie gesagt. Efim war sprachlos. Aber im gleichen Augenblick kam ihm der Verdacht, daß es sich bei Baranows Urteil um eine Falle handeln könne, und er fragte, was er eigentlich damit meine.
»Ich meine deinen Roman Lawine «, wiederholte Baranow.
»Aber erst vor zwanzig Minuten hast du gesagt, du hast ihn gar nicht gelesen.«
»Vor zwanzig Minuten hatte ich ihn auch noch nicht gelesen, aber jetzt habe ich ihn gelesen.«
»Baranow«, stöhnte Efim, »laß mich in Frieden. Du weißt doch, daß ich vormittags arbeite, im Gegensatz zu manchen anderen.« Der Nachsatz lag ihm schon auf der Zunge, aber er sprach ihn nicht aus.
»Du mußt wissen«, beschied ihm Baranow, »ich wollte dir eigentlich nur meine Meinung darüber sagen... Es ist nämlich ein genialer Roman...«
Dieses Prädikat klang so verführerisch, daß Efim trotz seiner bösen Ahnungen nicht auflegte.
»Der Roman ist genial. Aber er ist zu lang.« Baranow blieb auf seinem Kurs.
»Wieso zu lang ?« Efim horchte auf.
»Nun, das werden wir gleich haben. Nehmen wir mal an: Es war ein heißer Tag. Sawelij Morunow saß am Tisch und sah einer fetten Fliege zu, die immer wieder gegen die Fensterscheibe flog. Phantastisch!«
»Ja, das ist wirklich nicht schlecht«, gab Efim verlegen zu.
»Nicht schlecht? Phantastisch! Erschütternd! Aber viel zu düster!«
»Zu düster?«
»Viel zu düster!«
Dieses Urteil tat Efim sehr wohl, denn in der Tiefe seines Herzens hatte er schon immer den Wunsch gehabt, etwas Düsteres zu schreiben. Vielleicht sogar etwas Tragisches.
»Viel zu düster!« wiederholte Baranow. »Und eigentlich müßte das der Schluß sein. Ist doch alles klar: Hochsommer, Sonne im Zenit, unerträgliche Hitze, geschlossene Fenster. Sawelij sitzt da, die Fliege fliegt gegen die Scheibe und kommt nicht raus. Sawelij leidet unter der Hitze, er leidet überhaupt, er beobachtet die Fliege und denkt, daß er ebenso wie diese Fliege sinnlos gegen eine Scheibe fliegt. Alles ist zwecklos. Und diese schreckliche Hitze. Und nun hockt er da und schwitzt. Und die Fliege brummt gegen die Scheibe. Übrigens, wer ist das, dieser Sawelij ?«
»Der Bauleiter«, sagte Efim zögernd.
»Hab' ich mir gedacht. Dann ist erst recht alles klar. Es ist heiß, die Fliege brummt, der Bauleiter schwitzt. Das Baumaterial ist nicht zur Stelle. Die Bauarbeiter sind besoffen. Die Vorgesetzten fluchen. Der Plan ist im Eimer, die Prämien sind futsch. Der Bauleiter schwitzt. Die Stimmung ist unter Null. Die Fliege fliegt gegen die Scheibe. Nun weiß er, daß er sein Leben vertan hat. Die Arbeit klappt nicht. Die Vorgesetzten sind grob. Die Frau macht Szenen. Der Sohn ist ein Fixer, und die Tochter geht auf den Strich.«
»Was soll dieser Quatsch!« Efim war so gekränkt, daß seine Stimme sich wieder überschlug. »Wer ist ein Fixer? Wer geht auf den Strich ? Bei mir geht niemand auf den Strich.«
»Warum regst du dich eigentlich auf?« fragte Baranow. »Es ist doch kein Unterschied, ob bei dir jemand etwas tut oder nicht tut. Ich habe eben ein Stückchen weitergedacht und meine Phantasie spielen lassen. Du mußt deinem Leser vertrauen und seiner Einbildungskraft freien Lauf lassen. Wozu schreibst du eigentlich sechshundert Seiten, wenn nach der
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